SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
kamen die Menschen von der Küstensiedlung herbeigeströmt, man klopfte ihm auf die Schulter, Kinder sprangen um den Truck herum, überall lachende Gesichter.
Die Welt war in Ordnung.
Er verschenkte ein paar Getränkeflaschen, die er vom Frachtschiff mitgebracht hatte, an die Kinder. Er ließ seine Männer, die auf zusätzlichen Gefährten weiter hinten folgten, auch einen Teil vom Reis, von den Konserven und von den restlichen Vorräten an das heranströmende Volk verteilen. Er fühlte sich wie ein mächtiger Scheich. Bald würde er steinreich sein und Eyl in eine Perle der Wüste verwandeln. Er würde sich die schönsten Mädchen aus Mogadischu, ja aus ganz Somalia holen lassen und einen begabten Architekten aus Europa mit dem Bau seines neuen Palastes beauftragen. Außerdem musste einer der deutschen Sportwagen mit dem blau-weißen Logo vorne an der Haube her. Und aus Amerika ein riesiger Kühlschrank mit Eiswürfelautomat für seine neue Küche aus Marmor.
Der Truck mit dem Container fuhr mit letzter Kraft, wie es schien, im Schritttempo zu einem kleinen Lagerhaus samt Unterstand in der Fischersiedlung. Nabadoon hatte vor, seine zukünftige Quelle allen Reichtums später rauf nach Eyl schaffen zu lassen. Aber nun war erst mal Ausruhen angesagt. «Bringt die vollen Kisten mit dem Scotch, sämtliche Vorräte, Softdrinks und alles Bier vom Frachter her! Heute Abend wollen wir feiern!», rief er seinen Männern und dem umherstreunenden Volk zu.
Ein rauschendes Fest in seinem Hauptquartier oben im Zentrum von Eyl sollte es geben. Dort hauste Nabadoon mit seinen Freunden, mit den meisten seiner knapp fünfzig Kämpfer und einigen Mädchen. Letztere kamen und gingen, aber meist kehrten sie zurück, denn die Anwesenheit von Nabadoons Männern bedeutete ausgiebige Mahlzeiten und eine gelegentliche Party an einem Ort, wo sonst überhaupt nichts los war. Außer ein paar Ziegen in der Oase gab es in Eyl kaum etwas zu sehen, geschweige denn, zu erleben oder zu verdienen.
Nabadoon fühlte sich nicht als Robin Hood, von dem er in seiner Jugend mal in einem schäbigen alten Buch gelesen hatte, aber in den Augen der Bevölkerung waren er und seine Männer Garanten für einen halbwegs vernünftigen Lebensstandard. Die Leute bekamen jeweils einen Anteil von der Beute. Gleichzeitig fürchtete das Volk ihre Brutalität, welche die Kämpfer aber mit gutem Grund ausschließlich gegen außen richteten. Das Volk war ihr Rückzugsort, ihre Tarnung; man profitierte in etwa zu gleichen Teilen voneinander. Die einfachen Leute fürchteten sich mehr vor den Clan-Milizen und den religiösen Fanatikern, als vor Nabadoons Männern. Sie fühlten sich mit den Küstenwächtern wesentlich besser bedient.
Nabadoon ließ sechs seiner besten Kämpfer antreten und entsandte sie zum alten Lagerhaus nahe dem Pier, wo der Container hingebracht worden war. «Ihr bewacht die Fracht, bis wir sie abholen! Wir benötigen ein stärkeres Fahrzeug für den steinigen Weg rauf nach Eyl. Wenn irgendetwas Verdächtiges vor sich geht, meldet ihr euch umgehend per Funk! Verstanden? Abshir! Du hast die Aufsicht.» Nabadoon verschränkte die Arme hinter dem Rücken wie ein General und fuhr fort. «Ihr werdet um Mitternacht abgelöst. Dann könnt ihr nach Eyl zurückkehren und feiern. Bis dahin verlange ich strikte Disziplin.»
Der Big Boss wandte sich ab, stieg auf der Beifahrerseite in den rostigen Toyota und gab ein Handzeichen. Der alte Offroader setzte sich in Bewegung und rumpelte die holprige Straße hinauf zur Wüstenstadt Eyl.
6
In der Haupthalle des länglichen Gebäudes, in welchem Nabadoons Gefolge wohnte, war die Hölle los. Männer tanzten lallend auf den Tischen im Zentrum des Raumes, dazwischen da und dort einige leichtbekleidete Mädchen, die mit den mehr oder weniger betrunkenen Kämpfern schäkerten.
Etwas weiter hinten war eine Gruppe am riesigen Grill beschäftigt, der aus einem halben, ehemaligen Metallfass gefertigt war. Es roch nach Schweiß, frisch gebratenem Ziegenfleisch, Alkohol, Tabakrauch und scharfer Sauce. Der Lärm der Meute war in ganz Eyl zu hören. Diejenigen unter den knapp 20'000 Bewohnern der Stadt, die in den angrenzenden einfachen Behausungen wohnten, hatten eine raue Nacht vor sich.
Nabadoon war alles egal.
Er streckte sich in seiner Hängematte auf dem Vorplatz des Langhauses aus und nahm noch einen Schluck Scotch aus der Flasche. Er war satt und müde. «Hey, was’issen los, Boss! Schon
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