SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
Gerne werde ich hier wohnen, solange ich in Paris bin. Herzlichen Dank.»
«Ich habe zu danken. Und ich bin sehr erleichtert, dass sie mir mein kleines malheur nicht nachtragen. Wollen wir nach oben gehen? Die Leute vom Gebrauchtwarenladen haben bereits einige Kisten mit Carls Sachen abgeholt. Das Meiste steht aber noch oben in der Wohnung.»
«Ja, gerne. Ich werde die Sachen später aus dem Antiquariat zurückholen. Wohnt außer ihnen noch jemand hier?» Tony war tief beeindruckt vom sorgfältig renovierten Stadthaus.
«Nein. Mein Ex-Mann hatte früher seine Kanzlei in diesen Räumlichkeiten. Nun gehören sie zu meiner Residenz. Im dritten Stock habe ich eine Bibliothek und ein Studierzimmer eingerichtet. Ich doziere an der Sorbonne in klassischer Literatur und Psychologie. Den vierten Stock – die Dachwohnung – hatte ich an Ihren Bruder vermietet. Unter uns gesagt – ich hatte die Wohnung nicht aus finanziellen Gründen ausgeschrieben. Vielleicht war mir das Haus einfach eine Spur zu leer.»
«Ich verstehe.»
Sie gingen zurück durch das Wohnzimmer, tranken den letzten Schluck Cognac und traten hinaus ins Treppenhaus. Madame Lefebre ging voraus, Tony folgte ihr in einigen Schritten Abstand. Er gab sich Mühe, nicht auf ihren Hintern zu starren, der sich unter ihrem engen dunkelroten Jupe abzeichnete. Kühle Erotik. Nicht zu verachten.
Oben angekommen betraten sie Carls ehemalige Bleibe. Nicht ganz so aufwendig renoviert wie Madame Lefebres Räume, aber dennoch ein gediegenes Apartment mit viel Platz. Unter der Dachschräge befanden sich das Wohnzimmer, weiter hinten ein Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer, eine Abstellkammer, ein Badezimmer mit Wanne und Dusche und eine kleine Küche.
«Ich habe die Wohnung in Vereinbarung mit Mister Levine während seiner Abwesenheit alle zwei Wochen reinigen lassen. Machen Sie es sich bequem, ich werde meine Haushälterin anweisen, sich um das Bett zu kümmern.» Sie ging zum Eingang zurück und drehte sich nochmals um. «Ach ja, ich lege Ihnen den Schlüssel hier hin, ruhen Sie sich etwas aus! Das Geschäftliche regeln wir später, sagen wir um 18 Uhr zum Diner? Ich werde meinen Koch benachrichtigen, heute ein kleines Menu für zwei zuzubereiten. Dann können wir die Details besprechen. Mögen Sie Fisch?»
«Oh ja, klar, vielen Dank! Gerne. Ach, entschuldigen Sie, noch was: Ich muss unbedingt Carls Sachen wiederbekommen, wo finde ich den Gebrauchtwarenladen?»
«Uh, natürlich, verstehe. Fragen Sie Gerard, er wird Sie hinbringen.»
«Das ist sehr freundlich, Merci.»
Madame Lefebre machte kehrt und verschwand im Treppenhaus. Die klackenden Laute ihrer Absätze verhallten in weiten Tiefen, wie es Tony schien. Ihre Wohnungstür fiel ins Schloss, das Geräusch hallte kurz nach.
Tony blieb einen Moment verdattert stehen und machte sich ebenfalls auf den Weg nach unten. Als er auf den Gehsteig trat, traf er auf Monfils, der auf ihn wartete und eine selbstgedrehte Zigarette rauchte. Sie stiegen in einen alten Citroën und fuhren eine Viertelstunde kreuz und quer durch Paris – wie es Tony schien –, bis sie vor dem unscheinbaren dunklen Eingang des Altwarenladens hielten. Sie durchquerten einen schmalen Gang, vollgestellt mit Krimskrams und Möbeln, die zum Abholen bereit waren.
Was von aussen eher wie ein Trödelladen ausgesehen hatte, entpuppte sich als wahres Paradies voller kleiner und großer antiker Schätze. Als Tony den Hauptraum betrat, traute er seinen Augen kaum. Die geräumige hohe Halle war voller quadratischer Tische, auf denen sich von Porzellan über Bücher bis hin zu Dekorationsgegenständen und Besteck, Schmuck in Glasrahmen und Vitrinen aller möglicher sonstiger Kram türmte. Tony musste an jeder Ecke höllisch aufpassen, um nicht etwas herunterzuschmeißen.
Entlang der Wände am Boden standen Klaviere, überdimensionale Spiegel, Bilderrahmen und Statuen – weiter oben reihten sich gerahmte Fotografien in allen erdenklichen Formaten und Ausprägungen neben Malereien und Leinwänden. Die Decke war von drei Dutzend Kronleuchtern geziert. Fantastisch! Welch ein Fundus.
Tony war noch nie in seinem Leben in einem Gebrauchtwarenladen dieser Ausmasse gewesen. Kleine Antiquariate im Süden Manhattans, Shops mit alten Büchern, Plattenläden und so weiter, ja. Aber so etwas Gigantisches hatte er noch nie gesehen. Und schon gar keine derart beindruckende Sammlung von Habseligkeiten ohne billigen Trödel. Er schätzte, dass sich kaum etwas
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