SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
Anhöhe weit außerhalb des Anwesens abgefeuert worden und traf das Opfer in den Kopf. Die Auswirkungen waren – wie Sie sehen – fatal.»
Der General zeigte ein nächstes Bild, diesmal eine Satellitenaufnahme des Grundstückes samt zugehörigem Park. «Die Distanz vom Opfer zum elektrisch geladenen Zaun, der das Anwesen umgibt und welcher mit allen möglichen Sicherheitssystemen ausgestattet ist, beträgt rund 200 Meter. Eine mögliche Schussposition könnte ungefähr hier liegen.» Walter Benjamin umkreiste mit seinem Laserpointer ein Dschungelgebiet an einem Hang, in direkter Sichtlinie rund 900 Meter vom Ort entfernt, wo das Opfer aufgefunden wurde.
«Sie werden mit mir übereinstimmen, dass dieser Kunstschuss außer einem bestens ausgebildeten Eliteschützen mit militärischer Ausbildung, klimatischen Messgeräten, hochpräziser Optik und einer XM500 niemandem gelingen würde. Späher hin oder her! Jeder x-beliebige Auftragskiller hätte auf eine andere Gelegenheit gewartet. Was folgern wir daraus? Erstens: Erneut deutet einiges auf einen Kommandoeinsatz hin. Zweitens: Ganz offensichtlich war keine Zeit, auf eine bessere Gelegenheit für den Anschlag zu warten und einen normalen Kartell-Killer anzuheurn. Vielleicht hat der Mord in El Salvador nichts mit den anderen Vorfällen zu tun. Vielleicht aber schon. Meine Intuition sagt mir, dass da was dran ist.»
Der General atmete tief durch, wischte sich über die Stirn und stellte sich dann mit verschränkten Armen mitten ins Licht der Projektion. «Meine Herren, seien Sie so nett und graben Sie für mich in dieser Himmelstor-Grube! Wir wollen sehen welche ausgekochten Teufel sich darin verstecken. Und nun an die Arbeit! Alles weitere entnehmen Sie bitte aus den Unterlagen.»
Walter Benjamin schritt zu einer kleinen Ablage in der Ecke des Raumes, wo ein Stapel Akten gelegen hatte, ohne dass einer der anwesenden Beamten es realisiert hätte. Der General ergriff die Mappen, verteilte sie an die Agenten. In jedem Folder befanden sich ein Pass, ein Mobiltelefon und alle erforderlichen Reisedokumente sowie ein weitere Dokumente zum Briefing. Benjamin wies seine Sondertruppe an, die Aufzeichnungen genau zu studieren und hinterher umgehend zu vernichten. Die Daten waren auf dem gesicherten Server hinterlegt und mit persönlichem Zugang digital abrufbar, wie üblich. Informationen sollten direkt mithilfe der verteilten chiffrierten Mobiltelefone per Short Message oder Anruf abgeliefert werden. «Alles klar? Viel Glück!»
Daraufhin verabschiedete er sich und schritt aus dem Raum. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Im Raum herrschte Schweigen.
6
Das Telefon klingelte. Spätabends, irgendwo in Frankreich. Eine Hand griff nach dem Mobiltelefon, drückte die Annehmen-Taste, führte das Gerät zum Ohr.
«Ja. Verstanden. Ich werde mich darum kümmern.» Dann war das Gespräch auch schon wieder beendet.
Siebtes Kapitel
Karussell
1
Die doppeltürige Holzpforte des beigen Gebäudes in der Rue Rodier war verschlossen. Das fünfstöckige Stadthaus befand sich im neunten Arrondissment von Paris und leuchtete wie ein Block aus feinstem Marmor in der Frühlingssonne. Hinter Tony rauschte ein Jugendlicher auf einem Kleinmotorrad in überhöhtem Tempo auf die Kreuzung Rue Condorcet zu und bog in mörderischer Schräglage nach rechts ab. Ein älteres Ehepaar ging an ihm vorbei, ohne ihn weiter zu beachten.
Tony wartete einen Moment und stemmte nochmal sein ganzes Gewicht gegen die schwere Tür, obwohl er genau wusste, dass so keine Chance auf ein Betreten des Gebäudes bestand. Er klaubte die Fotokopie von Carls Visitenkarte hervor, die er vor seiner Abreise gemacht hatte. Zur Sicherheit. Wär ja oberdämlich, ich würde sie verlieren und nicht mal seine Wohnung finden.
Er faltete das weiße Blatt auf und las noch einmal.
Rue Rodier 58.
Eine Klingel gab es nicht. Links neben dem Eingang war ein Schild angebracht, wonach der Kino-Pionier Emile Reynauld vor über hundert Jahren in diesem Haus gewohnt hatte.
Klasse! Kenn ich nicht. Mir wär ein Schreiberling namens Carl Tyler Levine lieber. Aber warum zum Henker hat’s hier keine Türglocke?
Tony nahm die verpixelte Kopie nochmals genau unter die Lupe und realisierte, dass er die 6 für eine 8 gehalten hatte.
Rue Rodier 56. Bingo!
Er marschierte einige Schritte weiter an der Mauer und den vergitterten Fenstern des Herrenhauses entlang, seinen Business-Rollkoffer hinter sich
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