SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
einem Luxusclub erwischt. Die Vorliebe der Frau, sich einen ruhigen Moment für ihr Schwimmtraining in einem entlegenen Teil des Komplexes auszusuchen, ohne irgendwelche andere Personen in der Nähe, war ihr zum Verhängnis geworden. Ein Schuss in den Kopf, ein Schuss in die Brust. Kurze Distanz, vom Beckenrand abgegeben.
Wer die Frau war und was sie verbrochen hatte, war nicht Teil seines Briefings gewesen. Es war nie Teil seines Briefings, die genauen Hintergründe der Zielpersonen zu erfahren. Er war froh darum, er wollte es gar nicht wissen.
In seiner eigenen kleinen Vorstellung handelte es sich bei den Leuten, welche er und seine Mitstreiter beschatteten, bestahlen, bedrohten oder umbrachten, um führende Persönlichkeiten des Organisierten Verbrechens. Um feindliche Agenten, Terroristen, Verräter oder sonstigen Abschaum.
Jedoch war er sich dessen nicht sicher, und es begann an ihm zu nagen. Das allein war schlimm genug, aber die anonymen Nachrichten machten es noch viel schlimmer, auch wenn sie selten waren. Der letzte Zettel war kurz vor seinem Abflug aus Singapur aufgetaucht. Beim Verlassen des Hotels war ihm ein Umschlag mit dem Emblem des Hauses überreicht worden, er sei für ihn abgegeben worden.
«Du kannst dich nicht verstecken. Was du tust, ist Unrecht. Ich beobachte dich. Bald wird es die ganze Welt erfahren. Auf welcher Seite stehst du? Willst du den Rest deines Lebens hinter Gittern verbringen? Du hast immer noch einen letzten Rest Ehre in dir, Porter. Vergiss das nie. Sowahr ich deinen Namen nicht vergesse.»
Saunders verfiel langsam aber sicher in einen permanenten Alarmzustand. Seit dem Erhalt der ersten mysteriösen Nachricht war es immer schlimmer geworden. Eine lauernde Panik kochte in ihm hoch, welche ihn haufenweise Energie raubte. Seine größte Angst bestand darin, dass Nummer eins etwas merken würde. Dass ihm Saunders’ erhöhte Nervosität auffallen würde. Seine unsichere Hand an der Waffe, den zitternden Finger am Abzug. Dass Nummer eins ihn zum Abschuss freigeben würde. Dass der Molosser ihn eines unverhofften Augenblickes ins Jenseits befördern würde. Dann, wenn er es am wenigsten erwartete.
Saunders riss sich aus seinen Gedanken, erhob sich, schleppte sich zur Flugzeug-Toilette und schloss sich ein. Nachdem er sich zweimal übergeben hatte, kehrte er an seinen Platz zurück. Kurze Zeit später fiel er in einen unruhigen, leichten Schlaf.
Achtes Kapitel
欧州
(Europa)
1
Alles ist vorbereitet. Nichts ist tödlicher als alte Angewohnheiten.
Die vier schmalen, zur Mitte hin laufenden Linien des Visiers ruhten genau auf Victor Seymours Kopf. Er saß an seinem Schreibtisch vor seinem Laptop und schien sich gespannt etwas Bestimmtes anzuschauen.
Ich weiß genau was du dir da reinziehst, du verkommener Sohn einer westländischen Strassenhure!
Takeda gab sich alle Mühe, seinen Zorn in kontrollierte Bahnen zu lenken, um den Fokus nicht zu verlieren.
Seymour im Gebäude gegenüber griff zu seinem Geschäfts-Mobiltelefon, sein Bürostuhl drehte sich. Die Rückenlehne und das Display gelangten ins Sichtfeld des Visiers. Seymour wählte eine Nummer aus seiner Kontaktliste. Er stand auf und schritt in seinem geräumigen, edel eingerichteten Büro umher. Kurze Zeit später legte er auf und wählte erneut eine Nummer. Diesmal blieb er etwas länger am Apparat und beendete dann auch diesen Anruf.
Jeden zweiten Abend dasselbe Spiel. Edler Fraß frei Haus geliefert, dazu ein paar Flaschen teurer Champagner und mindestens eine Geisha vom edelsten Escortservice in ganz Holland.
Takeda nahm den Schwerenöter wieder ins Visier. Versteckt unter einer schwarzen Stoffplane, auf dem Kiesdach einer alten Lagerhalle liegend. Frühmorgens bis spät in die Nacht, einige Zeit schon.
Kein Vergnügen. Aber es hat sich gelohnt, um das weitere Vorgehen zu planen. Heute ist es soweit .
Inzwischen kannte Takeda Seymours Gepflogenheiten schon fast auswendig. Er wusste, wann der Manager morgens zur Arbeit erschien, wann er seinen ersten Kaffee trank, welche Zeitungen er las, wo er seinen Wagen parkte, welche Zigaretten er rauchte. Wann er abends die Arbeit niederlegte und welche Art von Entspannung er bevorzugte. Letzteres war nicht allzu schwer zu erraten gewesen. Zweimal bereits während der mehrtägigen Observation hatte sich der Boss des Logistikunternehmens CarterTransit Abends eine oder zwei Escort-Damen in die Chefetage bestellt. Punkt 21 Uhr. Er stand auf
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