Summer Sisters
einfach küssen konnte. Obwohl er eigentlich allen Grund hatte, genau das zu denken.
»Komm, nur noch ganz kurz.« Er blieb beim ersten Stand stehen und kaufte eine Riesentüte gebrannte Mandeln.
»Unser Abendessen.« Stolz hielt er die Tüte hoch. »Die essen wir am Strand und dann bring ich dich nach Hause.«
Allmählich entspannte sich Jo und fing an, die Situation witzig
zu finden. Es war Sonntagabend, der Strand war dunkel und verlassen, genau so, wie sie es liebte. Als sie sich direkt vor die heranschwappenden Wellen in den Sand setzten, zog er sie dicht an sich. Die Luft strich angenehm über ihre Haut: warm, aber nicht heiß. Er öffnete die Tüte und holte eine gebrannte Mandel für sie heraus.
»Das ist ja ein sehr nahrhaftes Abendessen«, sagte sie.
Sie zitterte ein bisschen, ihr war schwindelig, und auch ihre Stimme wackelte etwas.
»Ja, nahrhaft ist echt wichtig«, sagte er.
Sie knabberte an der Mandel, zu aufgeregt, um sie ganz in den Mund zu nehmen.
Er nahm eine grünlich verfärbte Mandel aus der Tüte und betrachtete sie misstrauisch.
»Wie sieht die denn aus? Mandeln sollten auf keinen Fall grün sein.« Er schleuderte die Mandel schwungvoll ins Meer.
»Haare sollten auch nicht grün sein«, sagte Jo leise und spürte, dass dieser Flirt gefährlich war.
Er lachte fröhlich, drehte sich zu ihr um, und sie wusste, dass er sie gleich küssen würde.
Und er küsste sie.
Was sollte sie tun?
Könntest du nicht etwas... ungeschickter sein? , hätte sie ihn gern gefragt.
Wieso war es ihm kein bisschen peinlich, sie so zu küssen? Sie dachte an Arlo Williams und an das Picknick in der siebten Klasse, wo er Stunden gebraucht hatte, bis er sich endlich getraut hatte, den Arm um sie legen.
Dieser Typ hier war ein begnadeter Küsser. Zum ersten Mal begriff Jo, was Küssen überhaupt bedeutete. Er war der erste Junge, mit dem sie so richtig rumknutschte, aber irgendwo in irgendeinem Bereich ihres Verstands - vermutlich da, wo ihr
Gewissen saß - wusste sie, dass sie nicht das erste Mädchen sein konnte, mit dem er so richtig rumknutschte.
Erhitzt stieß sie ihn weg und schnappte nach Luft.
»Ich muss dich was fragen.«
Er nickte, aber ihm war anzusehen, dass er tausendmal lieber weiterküssen wollte. »Alles, was du willst.«
Sie sah ihn an. »Wie heißt du?«
Ama dachte die ganze Nacht darüber nach, dann traf sie eine Entscheidung. Es war eine schwierige Entscheidung, aber sie war unvermeidbar: Noten nützen nichts, wenn man tot ist.
Nach dem Frühstück ging sie zu Maureen, die gerade ihre Sachen zusammenpackte.
»Ich kann das nicht.«
Maureen sah hoch. »Was kannst du nicht?«
»Dieses Ablassen an der Steilwand.«
Maureen nickte nachdenklich. »Ich kann mir vorstellen, dass du das glaubst.«
»Ich glaube es nicht, ich weiß es. Weil es stimmt.« Ama versuchte, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.
»Nein, da irrst du dich, ehrlich.«
»Maureen, ich kann das nicht. Ich weiß, dass ich es nicht schaffe. Wirklich.« Ama stieß verzweifelt ihre klobigen Stiefelspitzen aneinander.
Maureen ergriff sie am Handgelenk. »Ich weiß, dass es schwierig für dich wird. Wirklich, ich verstehe das. Du wirst es schwerer haben als irgendeiner von den anderen. Ich weiß das. Aber du schaffst das. Ich weiß, dass du es schaffst. Und hinterher wirst du dich unglaublich gut fühlen.«
»Hinterher bin ich tot. Wie kann ich mich gut fühlen, wenn ich tot bin?«
»Nein, du bist dann nicht tot. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich sterben lasse?«
Ama wollte etwas erwidern, aber es ging nicht. Dafür konnte sie sehen, was für ein hübsches Lächeln die Betreuerin hatte: Maureen gehörte zu den Menschen, deren Schönheit sich erst nach und nach bemerkbar machte, genau wie ihre Nettigkeit.
Ama trottete zum Zelt zurück, um ihre Sachen zusammenzupacken. Sie hoffte, dass Carly unterwegs war und mit irgendwem rumknutschte, damit sie nicht mit ihr reden musste, während sie das Zelt abbaute.
»Ich bin froh, dass du mit mir gesprochen hast«, rief Maureen ihr zu.
Ama sah zurück. »Aber es hat nichts geändert.«
»Vielleicht doch.«
11
»Möchtest du nachher mit uns mitkommen?«, fragte Megan, als sie mit Jo zum dritten Mal Tisch Nr. 11 eindeckte. Auch heute Abend war im Surfside viel los, der Andrang war groß und die Trinkgelder flossen reichlich. Alle Angestellten waren bester Laune.
Alle außer Bryn und Lila, eine andere Hilfskellnerin, die in einer
Weitere Kostenlose Bücher