Summer Sisters
aufzog, fiel ihr Blick auf die raffinierte rote Garnitur, die sie sich letztes Jahr zusammen mit Jo bei Victoria’s Secret gekauft hatte. Schnell streifte sie ihre alten Sachen ab und zog die neuen an.
Sie hatte schon die Hand gehoben, um die alte Unterhose in den Mülleimer zu schmeißen, als sie plötzlich innehielt und es sich noch einmal überlegte. Hier in ihrem vertrauten dämmrigen Zimmer tat ihr die Unterhose mit den lila Blümchen auf einmal leid. Sie war weich und schon mindestens hundertmal gewaschen, hatte aber immer noch keine Löcher, und das Gummiband war auch noch okay. In all der Zeit, in der sie die Unterhose getragen hatte, hatte sie ihr immer treue Dienste geleistet. Wahrscheinlich war das überhaupt die allerbequemste Unterhose, die sie hatte. Nicht jede Unterhose war bequem. Jo hatte sie einmal dazu überredet, einen Stringtanga unter ihren Leggins zu tragen, und den hatte sie total unbequem gefunden, ganz egal, was die andern sagten.
Polly konnte diesen Schlüpfer nicht einfach ohne triftigen Grund wegschmeißen. Was hatte er ihr getan? Er konnte doch nichts dafür, dass er nicht knapp geschnitten oder topmodisch war. Er war eben so, wie er war.
Statt ihn wegzuwerfen, faltete sie ihn säuberlich zusammen und legte ihn zurück in die Schublade. Sie würde die Unterhose noch nicht wegschmeißen. Aber sie würde sie nur dann anziehen, wenn alle anderen schmutzig waren. Und sie würde sie garantiert nicht in diesem Modelkurs tragen.
Ama brauchte Stunden, bis sie es schaffte, sich bei Noah zu bedanken. Sie hatte sich den Kopf zerbrochen, wie sie es machen sollte, war mehrmals ein paar Meter neben ihm hergegangen und hatte die entscheidenden Wörter sagen wollen, sich aber nicht dazu überwinden können.
Irgendwann ging sie zu einem Bach, um heimlich ihre Socken zu waschen. Als sie Noah am Ufer stehen sah, der offenbar auch einige Kleidungsstücke auswusch, war es zu spät, um noch kehrtzumachen.
»Danke schön«, platzte sie heraus, bevor die Wörter wieder zurück in ihren Hals krabbeln und sich darin verstecken konnten.
»Schon okay«, sagte er.
Sie wollte ihre Füße schnell ins Wasser tauchen und ihre Socken ausspülen, um ihm den Anblick zu ersparen, aber sie war zu langsam.
Er schrak sichtlich zusammen und sie konnte es ihm nicht verdenken. Mit ihren Hexenhaaren und ihren wunden Füßen musste sie grauenhaft aussehen. Wahrscheinlich würde er Albträume davon bekommen.
Als sie vorhin den letzten Kilometer ohne Gepäck gelaufen war und sich frei wie ein Vogel gefühlt hatte, war ihr eine Idee gekommen. Sie war so tröstlich, dass sie sie bis hoch auf den Berg getragen hatte.
Vielleicht konnte Noah ihr Sicherungsmann sein.
Wenn er dazu bereit war, bestand möglicherweise noch ein bisschen Hoffnung, dass sie nicht unbedingt sterben musste.
Es war ein fantastischer Plan, aber er hatte einen großen Haken: Sie musste Noah fragen, ob er ihr Partner sein wollte, und sie wusste, dass sie dazu niemals den Mut aufbringen würde.
Die Rinde der Weide enthält Salicylsäure, den Grundstoff für Medikamente gegen Schmerzen.
Seit Tausenden von Jahren hilft sie gegen Fieber und andere Leiden und kann auch Warzen verschwinden lassen.
10
»Ich hab gehört, er hat eine Freundin«, sagte Sheba.
Ihre ohnehin laute Stimme wurde durch die gekachelten Wände und Metallkabinen in der Damentoilette des Surfside noch verstärkt.
Jo hielt im Händewaschen inne.
»Wer hat das gesagt?«, fragte Violet, eine andere Kellnerin.
»Weiß ich nicht mehr... Hast du mir das nicht erzählt, Megan?«, fragte Sheba.
Megan legte ihren Eyeliner hin und drehte sich um. »Nein. Ich glaub nicht, dass er eine Freundin hat. Sonst würde er doch nicht Goldie...« - sie tat so, als müsste sie husten - »Entschuldigung, Jo so ansehen, als ob er sie am liebsten auffressen wollte!«
Jo stand wie erstarrt da und blickte stur geradeaus. Die Spätschicht war zu Ende und die älteren Mädchen standen wie jeden Abend im Toilettenraum und kämmten und schminkten sich für ihre nächtliche Party-Tour. Meistens blieben Jo und Bryn so lange wie möglich im Waschraum und saugten die Atmosphäre und den Klatsch auf. Wenn die Älteren gegangen waren, schlenderten sie noch eine Weile über die Promenade und gingen dann nach Hause.
»Ja, er steht eindeutig auf Jo«, sagte Violet, als wäre Jo gar nicht da.
»Du kennst ihn von irgendwoher, stimmt’s?« Megan drehte
sich zu Jo um und sprach sie jetzt direkt an,
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