Summer Westin: Todesruf (German Edition)
viele von denen auch nur Opfer und oft noch schlimmer dran als die meisten weißen Arbeiter. Er hatte das Sagen, und er würde nur die drankriegen, die es wirklich verdienten, zur richtigen Zeit und am richtigen Ort. Diese Staatsbürokraten würden gar nicht wissen, wie ihnen geschah. Sie würden nur merken, dass plötzlich sie die vom Aussterben bedrohte Art waren und sie allmählich anfangen sollten, zur Abwechslung mal auf richtige Menschen zu hören. Bei nur vier Mitgliedern mochten sie vielleicht wie ein bemitleidenswerter Haufen wirken, aber er lebte schließlich nicht in einer Großstadt, wo er Dutzende von Leuten hätte rekrutieren können. Verdammter Roddie, oder Rocky, oder wie auch immer sein Cousin Rodney sich gerade nannte. Der Junge kam zu den Treffen, fand aber immer irgendeine Entschuldigung, um sich vor den Übungen zu drücken. Hier draußen waren es immer nur Philip, Allie und er selbst. Und jetzt war seine Gruppe noch mehr geschrumpft. Heute waren sie nur zu zweit.
Er lief über die Brandlinie hinweg in den grün gebliebenen Bereich und auf die nächste Baumgruppe zu. Lautlos ließ er sich zu Boden sinken. Verdeckt von den tief hängenden Zweigen einer Pinie stützte er sich auf die Ellbogen und richtete die Farbpistole auf King. Er hatte den Rücken seines Freundes exakt im Visier und wollte gerade abdrücken, als ihm auffiel, dass King seine Farbpistole in den Gürtel geschoben hatte und jetzt eine 9-Millimeter-Halbautomatik in der Hand hielt. Sie war auf eine Frau gerichtet, die durch den Wald auf sie zukam.
Der Köder war weg, aber die Falle war nicht zugeschnappt. Wie hatte der verdammte Bär das geschafft? Wieso war das blöde Vieh nicht wie vorgesehen in den Käfig gekrochen? Garrett Ford kniete sich hin und untersuchte den Käfig. Er griff durch die Stangen und berührte die klebrige Stelle, an der das honiggesüßte Dörrfleisch gehangen hatte. In der Holzverschalung an der Rückseite des Käfigs machte er drei lange Kratzer aus. Das war es, genau so hatte der verdammte Bär das gemacht, hatte einfach durch die Stangen gegriffen und sich den Köder geschnappt. Als Ford den Arm wieder herauszog, fiel ihm ein rostroter Fleck an seinem Ärmel ins Auge. Er rieb an ihm. Blut. Am Boden des Käfigs waren ebenfalls Bluttropfen. Der Tunichtgut hatte sich wahrscheinlich an dem Köderhaken die Tatze aufgerissen. Die Tropfen waren außen bereits trocken, innen aber noch feucht. Noch nicht mal eine Stunde alt. Er hatte den Bären nur um ein paar Minuten verpasst.
Mike Martinson saß auf der Ladeklappe seines Pick-up und sah ihn missmutig an. »Kein Bär?«
»Offensichtlich nicht«, knurrte Ford. Teenager!
»Soll ich den Käfig abbauen und wieder im Wagen verstauen, oder lassen wir ihn hier?«
Hinter ihm raschelte es im Gebüsch. Vielleicht war das Tier noch in der Nähe und es bestand noch eine Chance, dass diese Fahrt doch nicht umsonst gewesen war. Er rannte zum Wagen und nahm das Gewehr aus der Halterung hinter dem Sitz. »Bleib hier«, sagte er leise zu dem Jungen.
Mit dem Gewehrlauf schob Ford den Zweig eines Lebensbaums beiseite und tauchte in den Halbschatten des Walds ein. Er blieb einen Moment stehen und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Da, ein leises Rascheln. Lautlos schlich er auf das Geräusch zu und hielt den Atem an. Er mochte vielleicht nicht mehr der Schnellste sein, aber seine Ohren waren vollkommen in Ordnung, und er war noch immer ein erstklassiger Fährtenleser.
Er folgte dem Geräusch der davonhuschenden Füße durch den schattigen Wald. Als das Geräusch verstummte, blieb er hinter einem Baum stehen. Einen Moment lang war nur ein Specht zu hören, der auf einen hohlen Baum einhämmerte. Dann kam von vorne ein Schnauben. Vorsichtig spähte er durch das Gebüsch. Etwa 100 Meter entfernt lehnte ein Mann in Tarnhose und T-Shirt an dem dicken Stamm einer Fichte. In der linken Hand hielt er eine zierliche schwarze Pistole, die aussah wie eine Halbautomatik.
Die Muskeln zwischen Fords Schulterblättern krampften sich zusammen. Wehe, der Typ zielte auf seinen Bären! Ford ging rasch um den Baum herum. Plötzlich nahm er weiter vorne im Wald eine Bewegung wahr. Er erhaschte einen Blick auf eine graugrüne Ranger-Uniform und einen langen silberblonden Zopf.
Summer Westin. Typisch, dass sie hier rumschnüffelte. Sie war genau der Typ, der sich nicht um seine eigenen Angelegenheiten kümmern konnte. Ihr Gesicht wirkte angespannt und besorgt, doch
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