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Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)

Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)

Titel: Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Beason
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Wacholderbüschen. An einer einsamen Espe leuchteten die letzten verbliebenen Blätter hellgolden gegen den aschefarbenen Himmel. Wenn sie sich aufsetzen könnte, würde das Tal wie eine Fata Morgana unten im Nebel vor ihr liegen.
    Sie war so müde, und ihr war so kalt. Nur mit Mühe hielt sie den Kopf oben, drückte Zack fest an sich und schnappte zwischen den Wellen nach Luft.
    In ihrem Kopf tauchten Erinnerungen auf an den letzten Gute-Nacht-Kuss, den sie ihrer Mutter gegeben hatte. Trotz des Beatmungsgeräts hatte die arme Frau nach Luft geschnappt wie ein Fisch auf dem Trockenen. Die neunjährige Summer war zur üblichen Zeit ins Bett gegangen und hatte sich gefragt, warum Gott jemanden so leiden ließ.
    Bei Tagesanbruch war es so still gewesen. Kein Beatmungsgerät, kein Luftschnappen. Ihr Vater hatte noch im selben Sessel gesessen wie am Abend zuvor und das Kopfkissen der Mutter an die Brust gedrückt. Und ihre Mutter hatte ganz friedlich dagelegen, das Gesicht ruhig und fast heiter. »Wir sollten Gott danken«, hatte ihr Vater gesagt. »Für das große Glück, sie so lange bei uns gehabt zu haben.«
    Sie dachte daran, wie Kent und der Puma blutend im Staub gelegen hatten, und an die selbstgefälligen Wilderer, die auf sie geschossen hatten. Adam. Barbara Jean. Das von den Steinen erschlagene Kind. Und jetzt Zachary – er hatte sich schon mehrere Minuten nicht bewegt. War er bewusstlos? Neben ihr bäumten sich die Wassermassen auf wie ungebändigte Wildpferde.
    Ein Stein traf ihre linke Niere. Es tat wahnsinnig weh. Das war alles so ungerecht. Ich habe es bewiesen, Adam, und du warst keine Hilfe. Und für dich, Paps, habe ich auch Neuigkeiten: Ich bin nicht dankbar für Leid und Tod. Und ich bin noch nicht bereit zu sterben.
    Sie konzentrierte sich auf den Schmerz, die verkrampften Muskeln im Nacken, die pochenden Pumakratzer, die stechenden Ratscher an der Wirbelsäule. Sie brauchte den scharfen Schmerz, um die Benommenheit aus ihrem Kopf zu vertreiben.
    Als Rechtshänderin konnte sie mit der Rechten besser zupacken. Sie schlang den linken Arm um Zack, fasste mit den Fingern sein Sweatshirt. Dann streckte sie den rechten Arm in die Strömung und spreizte suchend die Finger. Suchte einen Stein, einen Ast, irgendetwas, an dem sie sich festhalten konnte.
    Zack trat sie fest in den Magen. Oh Gott, er lebte also noch. Sie spürte ihre Finger nicht mehr, spannte aber die Muskeln des linken Arms an, um den Jungen weiter festzuhalten. Paddelte mit dem rechten im Strom. Wo zum Teufel steckte Perez? Er hatte gesagt, er schwämme wie ein Delfin. Warum war er ihnen nicht gefolgt?
    Ihre Knöchel schabten über einen Stein. Sie drehte das Handgelenk und hielt sich mit den Fingern fest. War das fest genug? Ihre Finger waren wie tot. Sie versuchte, sich an den Stein zu ziehen. Bewegte sich ein paar Zentimeter zur Seite und sank mit der Schulter unter Wasser. Nass und kalt lief es ihr in den Nacken und über die Brust. Zack trat um sich und schrie in höchsten Tönen zum Hintergrundbass des rauschenden Flusses. Doch der Stein hielt sie. Sie hatte einen Halt gefunden.
    Konnte sie es jetzt wagen, den linken Fuß zu bewegen? Sie zog sich nach rechts. Das Wasser schob nun stärker. Näher an der Strömung wäre der Sog sicher noch heftiger. Aber sie konnte auch nicht dort bleiben, wo sie war. In weniger als einer Minute würden ihre Gliedmaßen völlig taub sein und ihre Muskeln langsam nachgeben, und sie würden beide über die Kante gleiten und auf den Felsen zu Tode stürzen. Adam hätte das bestimmt gerne gefilmt. Das wäre ein Superknüller.
    Der Fluss röhrte. Wasser spritzte ununterbrochen in ihre Augen. Es war zum Verrücktwerden. Und Perez kam nicht. Niemand eilte ihr zu Hilfe.
    Sam spannte die Muskeln des rechten Arms an und zog. Das Wasser drückte von hinten, schob sie zur Öffnung. Sie streckte das rechte Knie, um sich von der Wand fernzuhalten, damit Zack nicht an den Steinen zerschmettert wurde. Die Strömung zerrte an ihren Kleidern, riss sie ihr fast vom Leib. Wasser in den Stiefeln zwischen den Zehen und unter den Fußsohlen.
    Sam drückte sich von der Wand ab und stemmte den linken Fuß gegen die Strömung. Sofort wurde er in Richtung Wasserfall gezogen. Und sie mit ihm.
    Ihr Kopf schlug an einen Stein, aber sie sah keine Sterne, sondern die Wolken am Himmel. Klammerte sich mit den Fingern fest. Beide Füße hingen schon über dem Abgrund. Sie hörte, wie sich das Wasser donnernd in das untere Becken

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