Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
weit, so gut. Dann drückte sie sich hoch. Die Baumrinde schabte an ihrer Haut. Sobald sie auf den Füßen stand, stützte sie sich mit einer Hand am Baum ab und untersuchte mit der anderen ihren Rücken. Von Weste und Hemd war nicht mehr viel übrig; sie spürte die Wirbel über ihrem Gürtel. Ihre Finger waren blutig, als sie ihre Hand betrachtete. Erstaunlich, dass es nicht wehtat. Was sich wahrscheinlich bald ändern würde.
Der Junge lag immer noch in Embryohaltung auf dem Fels. Steif beugte sich Sam über ihn, rollte ihn auf den Rücken und fuhr mit den Finger über den kleinen Körper. Keine gebrochenen Knochen oder strömendes Blut. Der Junge wimmerte und rollte sich wieder zusammen.
»Komm schon, Kumpel«, sagte Sam. Sie nahm ihn hoch, offensichtlich nicht sanft genug, denn er schrie ärgerlich auf und schlug ihr mit der kleinen Faust in den Nacken.
»Gern geschehen.« Sie schob ihn auf die Hüfte und legte die Arme um seinen Körper. »Ich nehme nicht an, dass du mich tragen willst?«
Er starrte sie eine Minute an, Regen tropfte aus seinem Haar und den Wimpern, dann beugte er den Kopf und barg ihn an ihrer Brust.
»Hab’ ich mir doch fast gedacht.« Ihre Beine fühlten sich an wie Holzstämme. Es fiel erstaunlich schwer, die Füße zu heben, bei jedem Schritt hatte sie das Gefühl, sie müsse eine Anhöhe überwinden. Sie zählte die Schritte. Bei fünfzig würde sie eine Pause einlegen.
Als sie die Zahl erreicht hatte, war ihr klar, dass sie nie wieder in Gang kommen würde, wenn sie sich jetzt ausruhte. Bei zweihundertfünfzehn gelangte sie zu den Ruinen, stolperte unter den schützenden Überhang und setzte sich auf den Absatz. Zumindest hatte die Bewegung ihr etwas Wärme verschafft. Ihre Zähne klapperten nicht mehr, Zack hatte ebenfalls aufgehört zu zittern. Er hing wie ein kleiner Affe an ihr. Unter normalen Umständen hätte sie sich losgemacht, aber er lag warm an Brust und Bauch. Und sie musste bald weitergehen; warm und nass würde bald zu kalt und zu nass werden.
Wo zum Teufel steckten Perez und Kojoten-Charlie? Wenn sie doch nur trockene Sachen hätte. Ihr Handy wäre jetzt auch hilfreich, falls noch Saft in den Batterien war. Sie legte das Kinn auf Zacks blonde Locken. Wie zur Hölle sollte sie sich und das Kind rechtzeitig ins Tal bringen, um die Pumajagd aufzuhalten?
Hinter ihr raschelte es. Sofort schlug ihr Herz schneller. Mit einer einzigen Bewegung nahm sie Zack vom Schoß und griff nach einem Stein.
Knapp zehn Meter entfernt stand Perez, einen Rucksack am ausgestreckten Arm und einen überraschten Ausdruck auf dem Gesicht. Wahrscheinlich entstammte der Dampf, der von seinen Kleidern aufstieg, nur ihrer Einbildung.
»Summer!« Er schob die Pistole in den Hosenbund und kam zu ihr. »Du lebst!«
»Dem FBI entgeht aber auch nichts«, krächzte sie.
Seine Kleider waren feucht, sahen aber eher durchgeschwitzt als durchnässt aus. Sein Blick glitt auf eine Weise über ihren Körper, der sie unter anderen Umständen hätte erröten lassen. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
Sie versuchte, die Achseln zu zucken. Es tat weh. »Keine Knochen gebrochen«, murmelte sie. »Glaube ich wenigstens. Wo ist Charlie?«
»Ich habe ihn drinnen verloren.« Er wies mit dem Kinn nach hinten, ließ aber seine Augen nicht von ihr. »Hi, Zack«, sagte er zu dem Jungen. »Schön, dass wir dich gefunden haben.«
Zack drückte sich unter ihrem Arm an sie. »Äffchen«, stöhnte Sam.
Perez sah sie besorgt an. »Hat der Kopf was abbekommen?« Warme Finger strichen über ihre Wangen.
»Du redest undeutlich.«
»Un-ter-küh-lung«, sagte sie überdeutlich. Zu viele Silben. Sie reckte den Kopf in Richtung Zack. »Er auch. Schon Hilfe gerufen?«
Perez schüttelte den Kopf. »Mein Handy ist mit mir untergegangen.«
»Meins liegt auf dem Absatz. Da drinnen.« Die Kammern des Curtain schienen elend weit weg zu sein.
»Bin gleich wieder zurück.« Perez wandte sich um und verschwand zwischen den Ruinen.
Sam überlegte kurz, ob sie sich umdrehen sollte, um nachzusehen, wohin er ging, aber das war zu anstrengend. Sie legte das Kinn wieder auf Zacks blonde Locken. Nur noch eine Minute, sagte sie sich, dann würde sie aufstehen. Genau, so würde sie es machen.
Dann war Perez wieder da, mit einen Haufen Kleider in den Armen. Die legte er neben sie und nahm ihr dann Zack ab. »Jetzt ziehen wir dir erstmal etwas Trockenes an, in Ordnung, Kumpel?«
Etwas Trockenes klang gut. Sam sah sich den Haufen an und zog
Weitere Kostenlose Bücher