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Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Eindringlings. In die Zisterne schaute sie nicht.
    »Hier ist niemand in den Büschen, Boyd.« Sie glaubte, dass er sich diese Geschichte ausgedacht hatte, um ihr so viel Angst einzujagen, dass sie die Insel mit ihm verließ.
    »Wer ist der Kerl? Sagen Sie’s mir!«
    »Essen Sie Ihre Cheerios.«
    Honey sann über das nach, was sie getan hatte – diesen unangenehmen Fremden aufzuspüren und ihn mit einem getürkten Floridaurlaub hereinzulegen. Sie hatte kein schlechtes Gewissen, und sie kam sich auch nicht übergeschnappt vor. Frustriert, das war sie. Nach Frys Geburt war ihre ohnehin niedrige Toleranzschwelle für Kretins, Lügner und Fieslinge gegen null gesackt. Sie hatte angefangen, sie alle, von dem lüstern grinsenden Supermarktgehilfen bis zu dem diebischen Abgeordneten, der schon zum dritten Mal im Kongress saß, als potenzielle Bedrohung für das Glück und das Wohlergehen ihres Nachwuchses zu betrachten. Wenn ein gewöhnlicher Dreckskerl wie Boyd Shreave geläutert werden konnte, überlegte Honey, dann sähe die Zukunft für die gesamte Menschheit rosiger aus, auch für Fry.
    Es war keine Theorie, die sich leicht verkaufen ließ, und Perry Skinner hatte sie ihr nie abgekauft. Ihr Sohn ebenfalls nicht. Honey war sich darüber im Klaren, dass sie ihnen manchmal naiv und besessen erschien, sogar grenzwertig manisch.
    »Sie haben gefragt, warum ich das alles getan habe, Boyd, warum ich mir die ganze Mühe gemacht habe, Sie hier runterzulocken«, sagte Honey. »Na ja, offenbar versuche ich, die gesamte menschliche Rasse wieder hinzukriegen, immer ein Riesenarschloch nach dem anderen.«
    Shreave kicherte ätzend. »Viel Glück, Süße.«
    »Sie haben nicht mal nach Ihrer Freundin gefragt. Was ist eigentlich los mit Ihnen?«
    Shreave rieb sich nervös die Arme. »Der Schrei hat sich nicht nach Genie angehört. Klang eher wie ’n Mädchen.«
    »Ich bin nicht nahe genug an das Lager von dem Indianer rangekommen, um zu sehen, wer es war. Lieben Sie sie denn nicht, Boyd?«
    »Ich lass mir doch nicht wegen irgend ’ner Tussi, die mich sitzen gelassen hat, das Hirn rauspusten.« Er schnappte sich eine Handvoll Cheerios und stopfte sich die Backentaschen voll. »Gehen wir diese verdammten Kajaks suchen, und dann hauen wir ab.«
    Honey sah, dass er sich wirklich fürchtete. »Sie sind zwischen ein paar Bäumen am anderen Ende der Insel versteckt«, berichtete sie. »Ich hab sie auf dem Rückweg von dem Indianerlager gesehen.«
    »Worauf warten wir dann noch?« Shreave sprang auf und packte sie am Arm.
    Honey machte sich mit Leichtigkeit los. »Wir warten auf die Morgendämmerung. Es gibt da etwas, das Sie sehen müssen.« Eine letzte Chance, deine verschrumpelte Seele aufzuwecken, dachte sie.
    Er wollte sich auf sie stürzen, dann hielt er inne. Wieder wandte er sich dem Wald zu und lauschte angestrengt. »Das gehört zu der Falle, nicht wahr? Sie haben irgendeinen Gorillatypen in den Büschen versteckt, der drauf wartet, mir die Zähne einzuschlagen.«
    »Hier ist niemand«, versicherte Honey. »Niemand beobachtet uns.« Sie hatte keine Angst vor Shreave; er war einer der am wenigsten imponierenden Männer, die ihr je begegnet waren.
    Seine Stimme sank zu einem Knurren herab. »Hören Sie zu, Sie psychotische Fotze. Das hier ist eine verdammte Sickergrube, und wir hauen jetzt gleich hier ab.«
    »Nein, Boyd, das hier ist ein unbeschreiblich friedliches und inspirierendes Fleckchen Erde«, widersprach sie, »und ich fahre nicht vor morgen früh hier weg. Wenn Sie allein lospaddeln wollen, nur zu.«
    »Scheiß-un-glaub-lich. Zeigen Sie mir nicht mal, wo die Kajaks sind?«
    Honey verneinte. Shreave bedachte sie mit einem weiteren kruden Schimpfnamen und starrte in die Nacht. Dann ließ er sich kochend vor Wut am Feuer nieder.
    »Versuchen Sie, für alles offen zu sein«, riet Honey ihm.
    »Halten Sie einfach Ihre dämliche Klappe«, erwiderte er.
     
    Die Gewehrkugel war von einem Ast abgeprallt und hatte Dealeys rechte Schulter durchschlagen und die Muskeln zerfetzt. Während er abwechselnd das Bewusstsein verlor und wieder wach wurde, fragte er sich, ob er im Sterben lag. Den Schmerzen nach zu urteilen, schien es möglich.
    Er stellte fest, dass er Spekulationen darüber anstellte, wer wohl zu seiner Beerdigung kommen würde, falls sein Leichnam in einem Zustand nach Fort Worth zurückgeschafft würde, in dem man ihn noch erkennen konnte. Die Liste der Besucher würde kurz sein – zwei oder drei andere

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