Sumpfblüten
Sie wischte das Blut von der Schramme auf der Stirn des Indianers. »Was hast du denn da gemacht?«, flüsterte sie.
Dealey rührte sich, und eins seiner Augenlider flatterte kurz. Der Seminole blieb düsterer Stimmung. Auf der vergeblichen Suche nach einem Erste-Hilfe-Set kippte er die gestohlene Reisetasche aus.
»Auf wen genau haben Sie eigentlich geschossen?«, wollte Eugenie wissen.
»Auf einen toten Touristen.«
»Wenn Sie es sagen.«
»Thlocko ist irgendwie so was wie verflucht«, erklärte Gillian.
Eugenie öffnete Dealeys Koffer, um die Kameraausrüstung zu begutachten. Der Seminole bückte sich und suchte am Handgelenk des Detektivs nach einem Puls. »Bei Tagesanbruch bringt ihr beide ihn aufs Festland zurück«, sagte er. »Irgendwie werden wir seinen fetten Arsch schon in das Kanu quetschen.«
Gillian wollte nicht. »Lester hat gesagt, er wird morgen gerettet. Wieso warten wir nicht einfach?«
Sammy Tigertail furchte die Stirn. »Was hat er denn gesagt, wer ihn holen kommt?«
»Weiß nicht. Irgendjemand, den er mit seinem Handy angerufen hat«, antwortete sie.
»Ich will sonst niemanden auf dieser Insel haben.«
»Warum denn nicht?«, fragte Gillian.
»Weil ich nicht in den Knast will.« Sammy Tigertail glaubte, dass man ihn dafür verhaften würde, dass er den weißen Mann in dem Anzug angeschossen hatte. Außerdem war er sich ziemlich sicher, dass er den nach Fisch stinkenden Weißen mit der verbundenen Hand getötet hatte, den, dem er eins mit dem Gewehrkolben verpasst hatte.
Und nicht zuletzt: die Sache mit Wilson.
»Wir hängen hier nicht rum und warten auf die Küstenwache oder den verdammten Sheriff von Collier County, verstanden? Ihr beide bringt das arme Schwein hier zurück nach Everglades City, sobald die Sonne aufgeht …«
»Moment«, unterbrach Gillian. »Lester hat mir erzählt, hier liegt irgendwo ein Motorboot. Damit ist er hergekommen.« Sie sah Eugenie Fonda an. »Sie wissen den Rückweg doch noch, oder? Sie brauchen mich nicht.«
»Nein, Schätzchen, ich brauche ein Wunder.«
»Ich gehe dieses verdammte Boot suchen, und ich zeichne euch eine Karte, aber ihr fahrt beide. Mir reicht’s«, verkündete Sammy Tigertail.
Er schwang das Gewehr am Lauf und drosch damit wie wild auf einen Baum ein, bis die Waffe in Stücke brach.
»Hier, vergiss die hier nicht.« Gillian griff nach der abgesägten Schrotflinte.
Der Seminole schüttelte den Kopf. Er streckte sich auf dem Boden aus und bedeckte das Gesicht mit den Armen. Eugenie zielte mit Dealeys Nikon und schoss ein Foto.
Gillian zog sie zur Seite. »Er ist eigentlich kein schlechter Kerl. Nur echt total durch den Wind.«
»Die, die das nicht sind, lerne ich nie kennen«, erwiderte Eugenie.
»Aber, verstehen Sie, ich will hierbleiben.«
»Hast du schon mit ihm geschlafen?«
Gillian wurde rot. »Ich arbeite dran.«
»Na ja, er sieht wirklich gut aus …«
»Bitte versuchen Sie nicht, ihn selbst abzugreifen.«
Eugenie lachte müde. »Nur damit du’s weißt, ich würde alles tun, was nötig ist, um von dieser Insel runterzukommen, und dazu gehört Handarbeit, oral oder von hinten; von mir aus sing ich auch splitternackt Opernarien. Nimm’s nicht persönlich, okay? Aber es ist windig und kalt, und ich hätte so gern eine Schale französische Zwiebelsuppe, also mache ich mich definitiv auf den Weg ins Ritz, so oder so.«
»Aber Thlocko hat doch gesagt, er geht das Boot suchen! Er hat versprochen, dass er eine Karte zeichnet.« Gillian war klar, dass Eugenie über fortgeschrittene Überredungsfähigkeiten verfügte, was Männer betraf. »Sie brauchen ihn nicht zu bumsen oder so. So ist er nicht drauf.«
»Natürlich nicht. Soll ich dir einen Rat geben?«
»Lieber nicht. Könnten Sie uns ein bisschen, na ja, allein lassen?«
»Zeig mir zuerst, wie man mit der Videokamera umgeht.«
Gillian sah sie erschrocken an. »Ich will aber nicht, dass er und ich gefilmt werden!«
Eugenie tätschelte ihr die Hand. »Keine Angst. Das würde ich nie tun.«
Gillian wies sie in den Gebrauch von Dealeys Minicam ein. »Ich hab so getan, als ob ich einen Wetterbericht spreche«, sagte sie. »Mit dem Knopf hier können Sie’s abspielen. Ich dachte, vielleicht wär’s cool, es mal beim Fernsehen damit zu versuchen.«
»Süß genug bist du ja«, meinte Eugenie.
»Schauen Sie sich das Video an und sagen Sie mir, wie’s Ihnen gefällt. ›Wetterberichterstatterin‹ heißt der Job heute. Ich müsste irgendwie ein bisschen
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