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Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Meteorologie studieren und mir wahrscheinlich ’n anderes Hauptfach suchen, aber das ist okay.«
    »Dann gehst du also zurück aufs College?«
    Gillian warf einen Blick auf den Indianer, der stumm und niedergeschlagen neben Lester auf dem Boden lag. »Ich denk schon«, erwiderte sie. »Wenn aus dieser Sache mit Thlocko nichts Ernstes wird.«
    »Was für den was Ernstes ist, ist was zu Ernstes, glaub mir. Hast du eine Taschenlampe, die ich mir borgen könnte?«
    Gillian fand eine unter den Sachen des Indianers und reichte sie Eugenie, die mit Dealeys Videokoffer in der Dunkelheit verschwand. Die hat vor überhaupt nichts Angst, dachte Gillian.
    »Wo will sie hin?« Sammy Tigertail stemmte sich auf einen Ellenbogen hoch. »Sag ihr, sie soll zurückkommen.«
    Gillian ging zu ihm hinüber und legte sich auf ihn, so dass ihre Lippen ganz leicht seinen Hals berührten und ihre Brüste sich gegen die Wärme seines Brustkorbs schmiegten. Sie konnte sein Herz hämmern fühlen und musste lächeln.
    »Diesmal bist du der Alligator«, sagte sie.
     
    Die Stöhner hatten Recht. Irgendjemand schoss mit einem Gewehr.
    »Dad?«
    »Ja, ich hab’s gehört.« Skinner gab ein wenig mehr Gas und richtete die Nase des Bootes in die Wellen.
    Fry hopste im Bug wie ein Sack Äpfel. Der Footballhelm fühlte sich an, als wöge er zehn Kilo. 300 Meter von der Insel entfernt klappte sein Vater den Motor hoch und fing wieder an zu staken. Fry war für den Scheinwerfer zuständig.
    »Bist du sicher, dass die Schüsse von hier gekommen sind?«
    »Fifty-fifty. Wenn’s so verdammt windig ist, kann man das schwer sagen.«
    »Hier gibt’s keinen Strand wie auf der anderen Insel«, stellte Fry fest.
    »Ich setze das Boot in die Mangroven. Leuchte mal nach Steuerbord.«
    »Okay.« Der Strahl schnitt eine dunstig violette Schneise durch die Dunkelheit. Fry fühlte allmählich gar nichts mehr von der Fahrt durch die Kälte, aber nichts zu fühlen war gar nicht so schlecht. Das verhinderte, dass er zusammenklappte, wenn er an seine Mutter dachte.
    »Hat Mr. Piejack eine Knarre?«, wollte er wissen.
    Perry Skinner antwortete nicht. Er keuchte oben auf seiner Plattform, kämpfte gegen Wind und Strömung. Fry hörte, wie die Spitze der Stange knirschend auf eine Austernbank unter der Wasseroberfläche traf.
    »Dad, hat Louis Piejack eine Pistole?«
    »Was wir da gehört haben, war ein Gewehr.«
    »Ja, und?«
    »Piejack hat ’ne Schrotflinte, so ein mieses, kleines abgesägtes Teil. Du kannst den Scheinwerfer jetzt ausmachen, wir sind fast da.«
    Fry dachte kaum jemals an die Scheidung; als das damals passiert war, war er nicht überrascht gewesen und ganz sicher nicht traumatisiert. Seine Mutter und sein Vater waren so verschieden, dass ihm ihre Ehe lange ein Rätsel gewesen war. Jetzt war er alt genug, um zu begreifen, dass Honey Santana und Perry Skinner einander noch immer auf irgendeine ewige, tief liegende Art und Weise zugetan waren, seinen frühesten Erinnerungen zufolge schien jedoch klar zu sein, dass es nicht das Richtige für sie war, unter einem Dach zu leben. So wie Fry sich sein Leben nicht ohne die beiden darin vorstellen konnte, konnte er sie auch nicht wieder als Paar vor sich sehen. Für seinen Dad war diese Expedition eine Mission aus Pflichtgefühl, nicht aus Zuneigung, doch Skinner wäre am Boden zerstört – das wusste Fry genau –, wenn Honey etwas zustoßen sollte.
    »Dad, wie heißt diese Insel?«
    »Dismal Key.«
    »Das ist ja pervers.«
    »Das ist kein Witz«, versicherte Skinner.
    »Ich weiß.«
    Sie stiegen ins flache Wasser und zerrten das Boot auf die Bäume zu. Das Ufer war länger als das der anderen Insel und bewaldeter. Fry glaubte, Rauch zu riechen, konnte aber kein Feuer sehen.
    Nachdem er das Boot festgemacht hatte, schickte Skinner sich an, sich durch die Mangroven zu winden. Fry hielt sich dicht hinter ihm und war ganz still, auch als die von Muscheln überzogenen Wurzeln ihm die Beine aufschrammten. Sie folgten der Krümmung der kleinen Bucht und suchten nach einem Zugang.
    »Licht«, flüsterte Skinner.
    Fry richtete den Lampenstrahl voraus.
    »Nein. Da drüben.« Sein Vater zeigte mit dem Finger.
    Der Lichtkreis fiel auf ein rotes und ein gelbes Kajak, leer und miteinander vertäut.
    »Das sind Moms!« Zuerst war Fry selig, dann wurde ihm mulmig vor Angst. Und wenn sie nun zu spät kamen?
    Skinner bahnte sich rasch einen Weg zwischen den Bäumen hindurch. Sobald er trockenen Boden erreichte, rannte er los. Fry

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