Sumpfblüten
ist wirklich gut.« Eugenie Fonda umklammerte das Glas, als wäre es die Reißleine eines Fallschirms. »Haben Sie ein bisschen Wodka dafür?«
»Ich war früher selber mal ganz gut im Staffellauf, damals«, meinte Shreave.
Honey dachte zuerst, er scherze, wurde jedoch durch Eugenies strenge Miene eines Besseren belehrt.
»Bis ich mir die Knie kaputtgemacht habe«, fuhr Shreave fort.
Bald machte das immer lauter werdende Stimmengewirr in Honeys Kopf es ihr unmöglich, dem zu folgen, was er sagte. Sie erwog die Möglichkeit, dass auch sie einen großen Fehler gemacht hatte. Boyd Shreave schien kein Mensch zu sein, der sich leicht zurechtweisen, rühren oder wandeln ließ. Er legte weder Überzeugungen an den Tag noch ein wahrhaftiges Gefühl für sich selbst. Die Reise in die Everglades hatte er nur angetreten, um seiner Freundin zu beweisen, dass er kein Schlappschwanz war.
Honey machte sich auf drei anstrengende Tage gefasst.
»Sie beide wissen doch, wie man ein Kajak paddelt, oder?«
12. Kapitel
Gillians wirklicher Nachname war Tremaine, doch sie hatte ihn auf dem College in St. Croix geändert, um ihre Eltern zu ärgern. Aus dem gleichen Grund studierte sie auch Grundschulpädagogik; ihre Eltern hatten gewollt, dass sie einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften machte und mit in ihr Discount-Maklergeschäft in Clearwater einstieg. Das hatte ihre ältere Schwester getan, und deren Unzufriedenheit manifestierte sich gegenwärtig in schlampiger Promiskuität.
Obgleich sich Gillian theoretisch auf das Lehramt festgelegt hatte, war es nicht ihre wahre Berufung; es war ein Job, von dem sie glaubte, sie würde ihn ertragen können, bis sie ein kosmisches Erwachen erlebte oder dem richtigen Dichter/Musiker begegnete. Für den Namen St. Croix hatte sie sich entschieden, nachdem sie mit ihrem damaligen Freund, dem eigenhändig gepiercten Rockmusiker, auf der Insel gewesen war. Der Urlaub selbst war nicht sonderlich magisch gewesen, doch Gillian war klar, dass sie nicht leicht zu unterhalten war. Langeweile hatte sie schon immer befallen wie eine zehrende Krankheit. Jeder Rock, den sie sich aussuchte, kam ihr wie ein farbloser Fetzen vor, sobald sie ihn mit nach Hause gebracht hatte. Jede CD, die sie sich kaufte, klang beim zweiten Hören alt und abgedroschen. Jedes Buch, das sie voller Hoffnung aufschlug, wurde bei Seite 100 zu einem qualvollen Marsch durch Matsch und Schlamm. Mit Beziehungen war es genauso.
»Ich bin zwanzig Jahre alt, und außer dir habe ich nichts Interessantes in meinem Leben vorzuweisen«, sagte sie zu Sammy Tigertail.
»Das ist beängstigend«, antwortete er.
»Keine Sorge. Das hält sowieso nicht.«
Wie die Wölfe, die sie waren, waren Len und Ginger Tremaine der Herde der in den Ruhestand tretenden Amerikaner mit vollem Pensionsanspruch aus dem Mittleren Westen gefolgt. Gillian war ein Teenager gewesen, als die Familie von Ohio nach Florida gezogen war. Am ersten Schultag hatte ihre Französischlehrerin der Zehntklässlerin gesagt, sie sei hübscher, als gut für sie sei, was diese dazu veranlasste, sich unter die Bluse zu greifen und vor der ganzen Klasse ihren BH auszuziehen. Sie sollte für derartige lebhafte Kunststückchen so bekannt werden, dass ihre Mitschüler sie – nicht ohne Wohlwollen – Psycho Babe tauften. Ihren Abschluss hatte sie mit guten Zensuren gemacht, allerdings auch mit genügend disziplinarischen Fußnoten, um ihre Chancen in Wharton und drei anderen Privatcolleges, die auf der Liste ihrer Eltern standen, zunichtezumachen. Sie waren entsetzt, als sie ihnen einen Brief vorlegte, der besagte, dass sie an der Florida State University angenommen worden sei, einer berüchtigten Party-Uni in einer berüchtigten Party-Stadt namens Tallahassee, zufällig auch noch der Regierungssitz des Bundesstaates.
Bald nachdem sie nach Florida gekommen waren, hatten die Tremaines in der St. Petersburg Times eine Skandalgeschichte über einen mächtigen Politiker gelesen, der seine Lieblingskellnerin in seinem Stammimbiss auf die Lohnliste des Staates gesetzt hatte. Sie fürchteten, dass ihre Jüngste ein ähnlich geschmackloses Schicksal erwartete, doch sie kannten Gillian nicht besonders gut. Macht, Einfluss oder Geld beeindruckte sie nicht; was sie beeindruckte, waren Rebellen.
»Mein Handy hat endlich den Geist aufgegeben«, berichtete sie dem Indianer. »Ethan hat nicht zurückgerufen.«
»So eine Überraschung.«
»Ist mir nur recht.«
»Wie lange willst du eigentlich
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