Sumpfblüten
selten herrschte Stille in ihrer Welt; kein Frieden, keine Ruhe. Nat King Cole säuselte ein Duett mit Marilyn Manson, ein Scharfschütze löste den Feueralarm in einem Pflegeheim aus, ein Papagei landete in einem Margaritamixer …
Ein ganz normaler Tag im Kopf von Honey Santana.
»Das ist vielleicht ’n Urlaub«, knurrte Boyd Shreave, der Mann, der sie beim Abendessen angerufen, der sich Eisenhower genannt und versucht hatte, sie über den Tisch zu ziehen und ihr ein überteuertes Grundstück aufzuschwatzen.
Der Mann, der sie Schlampe genannt hatte.
»Nicht gerade das, was wir uns vorgestellt hatten«, fuhr er fort. »Stimmt’s, Genie?«
»So richtig wie auf den Bahamas ist es hier nicht«, gab seine Geliebte zu.
»Worauf haben Sie beide denn gehofft?«, fragte Honey. »Außer einem Strand und einer Tikibar, meine ich. Das hier ist pure ursprüngliche Wildnis, die allerletzte unberührte Natur. Deshalb machen die Leute Ökotouren, um das zu sehen.«
Boyd Shreave lachte kalt. »Halten Sie uns einfach den verdammten Verkaufsvortrag und bringen Sie uns in die Stadt zurück.«
»Es gibt keinen Verkaufsvortrag«, sagte Honey.
»Na klar doch.«
Eugenie Fonda reckte die Arme. »Wie heißt diese Insel überhaupt?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Honey. »Aber sie ist gut genug.«
Shreave zog die Brauen zusammen. »Wofür?« Er stelzte auf sie zu und schnippte ihr den halb gegessenen Müsliriegel aus der Hand. »Gut genug wofür?«
»Das war ungehobelt.« Honey sammelte die Stücke vom Boden auf und warf sie in einen Abfallbeutel. »Schon jenseits von ungehobelt, um genau zu sein.«
Eugenie Fonda sagte Shreave, er solle aufhören, sich wie ein Arschloch zu benehmen.
»Kein Verkaufsvortrag, sagt sie?« Er trat nach der Asche des erloschenen Lagerfeuers. »Was ist hier eigentlich los?«
Honey Santana beschloss, dass es keinen Sinn hatte, noch länger zu warten. Sie war bereit; er war mehr als bereit.
Sie stand auf und sagte: »Es gibt keinen Vortrag, weil es keine Grundstücksgesellschaft namens Royal Gulf Hammocks gibt, Mr. Eisenhower. «
Shreaves Stirn furchte sich in einem affenartigen Abbild des Verdrusses. Er schwankte ein wenig, und sein Unterkiefer mahlte.
Eugenie Fonda hatte zwei und zwei zusammengezählt. »Scheiße, Boyd. Scheiße, Scheiße, Scheiße. «
»Kenne ich Sie?«, fragte er Honey. Die Worte kamen als rasselnder Laut heraus. »Sagen Sie bloß nicht, Sie sind die, die bei mir zu Hause angerufen hat.«
»Sie haben mich als Erster angerufen, Boyd. Sie wollten mir irgendein wertloses Gestrüpp in Gilchrist County andrehen, wissen Sie noch? Ich habe Ihnen kurz Geschichtsunterricht in Sachen Stephen Foster gegeben, dass er den Suwannee River nie zu Gesicht bekommen hat. Wieso setzen Sie sich nicht?«
Shreave fuhr herum. Stammelte. Wedelte mit den Armen. Schließlich bekam Eugenie ihn am Gürtel zu fassen und zog ihn neben sich auf die Reisetasche.
»Machen Sie die Stimme nach«, sagte er zu Honey. »Wenn Sie wirklich dieselbe sind, machen Sie die Stimme nach.«
Sie war gut vorbereitet. »Guten Abend, Mr. Shreave. Mein Name ist Pia Frampton, und ich rufe mit einem ganz besonderen Angebot an …«
Shreaves Kinnlade klappte herunter. »Allmächtiger.«
»Sie haben gesagt, es würde sich zu ›sahnig‹ anhören, erinnern Sie sich? Sie haben mir eine Menge hilfreiche Tipps gegeben.«
»Unglaublich«, sagte Eugenie Fonda.
Honey erkannte den Tonfall innerer Müdigkeit, den Tonfall geringer Erwartungen, die nicht erfüllt worden waren. Was mache ich hier eigentlich mit diesem Volltrottel? Honey hatte sich mehr als einmal dieselbe Frage gestellt, ehe sie es aufgegeben hatte, sich mit Männern abzugeben.
»Boyd, sie hat dich reingelegt«, bemerkte Eugenie, an Shreave gewandt.
»Blödsinn! Es war ’ne Gratisreise nach Florida!«
»Nichts ist umsonst, Boyd. Sag bloß nicht, du hast das vergessen.«
»Ja, aber sie hat mir doch die Flugtickets geschickt!«
»Du hast dich aufs Kreuz legen lassen. Finde dich damit ab.« Eugenie blickte zu Honey hinüber und meinte: »Nur so eine Vermutung. Hier warten so ein paar Provinzschläger nur darauf, aus den Büschen zu springen und uns auszurauben.«
Honey Santana musste lachen.
»Und was soll das dann alles? Moment, ich hab’s – Sie wollen Lösegeld«, riet Eugenie. »Vielleicht haben Sie ja rausgefunden, dass Boyds Frau Kohle hat.«
»Genie, halt die Klappe«, knurrte Boyd.
Honey warf ein Tic Tac ein. Die Trümmer einer Hütte zogen ihre
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