Sumpfblüten
dahin.«
»Fahren Sie langsam, okay?«, warnte Dealey. »Wenn die Kamera Spritzer abkriegt, war’s das.«
Und ich bin zwei Riesen los, dachte er.
»Ich will aber Filme«, maulte Piejack. »Keine Bilder.«
Dealey packte die Nikon weg. Er sagte, um brauchbare Videoaufnahmen zu machen, müssten sie viel dichter herankommen.
»Keeeiiin Problem.« Piejack war leicht verwackelt von den Vi-codintabletten, die er zum Lunch zu sich genommen hatte. Es war nicht leicht, eine hochgradige Abhängigkeit von verschreibungs-pflichtigen Schmerzmitteln zu befriedigen, wenn man seine dominante Hand eines dicken Verbandes wegen kaum benutzen konnte. Piejack hatte Dealey – unter der Drohung sofortiger Hinrichtung – die Aufgabe zugewiesen, die Flasche zu öffnen und fünf Tabletten abzuzählen, die er mit einem echsengleichen Vorschnellen seiner schorfigen Zunge von dessen Handfläche geschlürft hatte. Dealey, der sich zu Tode genierte, hatte nichts gesagt.
Piejack fuhr in einem Bogen zur anderen Seite der Insel und ließ das Boot einen von Mangroven überwucherten Wasserlauf hinaufkriechen. Die klauenartigen Äste zerkratzen Dealeys Haut und rissen Löcher in sein Jackett, doch Piejack schien das nichts auszumachen. Er ließ das Boot heftig aufs Ufer auflaufen, schnappte sich seine Schrotflinte und sprang hinaus. Dealey folgte ihm und schleppte die Kameraausrüstung mit.
»Komm’ Sie bloß nicht auf dumme Gedanken«, warnte Piejack.
»Halten Sie mich für verrückt?«
Tatsächlich hatte Dealey an nichts anderes gedacht als an Flucht, seit sie Everglades City verlassen hatten. Als er Piejack jetzt ins Herz der Insel folgte, wartete Dealey darauf, dass der durchgeknallte Entführer ins Schwanken kam. Mit Hilfe der Vorsehung würde Piejack demnächst von seiner Mammutdosis übermannt werden, was Dealey mehrere Optionen eröffnete. Abhauen stand sehr weit oben auf der Liste, doch wo sollte er hin? Selbst wenn er das Flachboot in Gang bekam, war er sich nicht sicher, ob er allein zum Festland zurückfinden würde.
Eine praktikablere Idee wäre es, sich der Schrotflinte zu bemächtigen, während Louis Piejack schlief und den Möchtegern-Nimrod zu zwingen, ihn in die Stadt zurückzuschippern. Selbst mit einem Plan im Kopf war Dealey immer noch voller Angst, denn nichts auf den Straßen von Fort Worth hatte ihn auf eine solche Situation vorbereitet – mit einem verstümmelten, schießwütigen Fischhändler mitten in den Everglades festzusitzen.
»Schnauze«, kläffte Piejack.
»Ich hab kein Wort gesagt.«
»Wer zum Teufel dann?« Piejack blieb stehen und hob die mullverhüllte Hand. Dealey hörte nichts außer seinem eigenen raschen Atmen; die Kamerakoffer waren schwer.
»Da drüben.« Piejack zeigte auf einen fünf Meter hohen Hügel, der schütter mit Gestrüpp und Kakteen bewachsen war. »Sie zuerst.«
»Jetzt machen Sie mal halblang.«
»Wie wär’s stattdessen mit ’ner Ladung Vogelschrot in ’n Arsch?«
Der Abhang bestand beinahe zur Gänze aus zerbrochenen Austern- und Muschelschalen. Dealeys Schuhe knirschten laut, als er voranschritt, während ihm Piejack grob den Lauf der abgesägten Flinte ins Hinterteil bohrte. Als sie sich der Kuppe näherten, vernahm Dealey Stimmen auf der anderen Seite. Piejack lotste ihn zu einem Gewirr klebriger Ranken, wo sie Deckung bezogen.
Die drei Paddler befanden sich auf einer Lichtung unter einem großen Baum, ungefähr 50 Meter weit entfernt. Boyd Shreave und Eugenie Fonda saßen auf einer Reisetasche, aßen aus Plastikbehältern und teilten sich eine Vier-Liter-Flasche Wasser. Die Frau aus dem Trailerpark, Louis Piejacks geliebte Honey, stand da und sprühte sich die Arme mit Mückenmittel ein. »Mein Gott, ist sie nicht ein Schatz?«, seufzte Piejack. »Raus mit der Kamera, Falkenauge.«
»Sie ist angezogen. Sie sind alle angezogen.« Dealey war überzeugt, dass die nackten Brüste, die Piejack vorhin erspäht zu haben glaubte, eine Halluzination gewesen waren.
»Machen Sie mir einfach ’n gottverdammten Film«, flüsterte Piejack drohend.
Dealey machte die Kamera bereit und begann zu filmen, während Piejack an seiner linken Schulter aufragte. Durch den Sucher sah es aus, als ob Shreave ununterbrochen redete und keine der beiden Frauen ihn auch nur im Geringsten beachtete.
Dealey fühlte Piejacks heißen Atem an seinem Ohr. Dann, mit Singsangstimme: »Wo läuft mein kleines Honey-Schätzchen denn hin?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Bleiben Sie dran! Bleiben Sie
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