Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Arme sind ausgestreckt wie ...«
»Setz die Meldung ab. Das ist alles, was ich von dir verlange. Du brauchst nichts von dem bereuen, was hier heute nacht passiert ist.«
»Dave, er liegt auf der linken Scheunenseite, genau dort, wo Flynn gestorben ist. Ich pack das nicht. Ich hatte keine Ahnung, daß der Typ schon verwundet war. Warum hast du mich nicht gewarnt?«
»Hab ich doch. Jedenfalls denke ich, daß ichʼs getan habe. Vielleicht auch nicht. Er hätte die Waffe wegwerfen sollen.«
So standen wir in den Wind- und Staubböen, und die Regentropfen trafen wie Murmeln unsere Gesichter, das Himmelsgewölbe über uns erfüllt vom Bersten des Donners.
27
Der Zwerg aus Argentinien, der sich Rubén Esteban nannte, hätte, was sein Hotel betraf, keine unglücklichere Wahl treffen können.
Jahre zuvor, in Lafayette, zwanzig Meilen von New Iberia entfernt, hatte ein Körperbehinderter namens Chatlin Ardoin sein Geld als Zeitungsausträger verdient, Geschäftsleute der Innenstadt mit Zeitungen beliefert oder diese an Zugpassagiere vor dem Büro der Southern Pacific verkauft. Seine Stimme klang wie ein Rostklumpen in einem Abwasserrohr; seine Arme und Beine waren Stümpfe an seinem Torso; sein Gesicht hatte den Ausdruck von gebackenem Maisbrot unter einem formlosen Hut. Straßenkinder aus den Vierteln im Norden hänselten ihn; ein Werbetexter, der Neffe eines Zeitungsherausgebers, der ihn mit wachsender Begeisterung stets »Castro« nannte, trieb ihn damit zur Weißglut.
In dem zweistöckigen Hotel mit der Schindelfassade um die Ecke des Zeitungsgebäudes befand sich im Erdgeschoß eine Bar, in der sich die Zeitungsleute nach Redaktionsschluß einen Drink genehmigten. Außerdem wurde sie von Nutten bevölkert, die ihrem Gewerbe am späten Nachmittag und Abend nachgingen, mit Ausnahme des Freitags, wenn die Hotelbesitzerin, Norma Jean, gratis gekochte Shrimps an Familien aus der Nachbarschaft ausgab. Jeden Nachmittag brachte Chatlin Norma Jean eine Gratis-Zeitung, und jeden Nachmittag gab sie ihm ein eisgekühltes große Glas Faßbier und ein hartgekochtes Ei. Er saß dann am Ende der Theke unter dem Schacht der Klimaanlage, seine Stofftasche mit den Zeitungen auf dem Barhocker neben sich, und schälte und aß das Ei und trank sein Bier und verfolgte die Seifenopern im Fernsehen mit einer Konzentration, die vermuten ließ, daß er mehr Verstand hatte, als man annehmen wollte. Norma Jean war von Grund auf korrupt und erlaubte ihren Mädels keine Freiheiten, wenn es darum ging, die Wünsche ihrer Freier zu erfüllen, aber wie die meisten ungebildeten und schlichten Leute fühlte sie intuitiv, ohne den Grund zu kennen, daß die Behinderten und Verrückten dieser Welt dazu da waren, von denen versorgt zu werden, deren Seelen anderenfalls verloren gewesen wären.
Ein Bier und ein hartgekochtes Ei waren kein schlechter Preis für ein bißchen Menschlichkeit.
Vor fünfzehn Jahren, während eines Hurrikans, war Chatlin auf dem Highway von einem Lastwagen überfahren worden. Die Zeitungsredaktion war umgezogen; das Büro der Southern Pacific gegenüber dem Hotel wurde abgerissen und durch den Neubau eines Postamtes ersetzt; und Norma Jeans Quasi-Puff wurde ein normales Hotel mit einer düsteren, freudlosen Bar für nächtliche Zecher.
Normal ging es dort zu, bis Rubén Esteban in das Hotel eincheckte und um Mitternacht unten in der Bar erschien, die Oberfläche seiner Gesichtshaut glühend wie Maisbrot unter der Neonbeleuchtung. Esteban kletterte auf einen Barhocker, seinen Panamahut auf dem Kopf. Norma Jean warf einen Blick auf ihn und begann zu schreien, Chatlin Ardoin sei seinem Grab entstiegen.
Früh am Mittwoch morgen waren Helen und ich im Gemeindegefängnis von Lafayette. Draußen goß es in Strömen, und die Korridore waren mit nassen Schuhabdrücken gepflastert. Der Beamte vom Morddezernat namens Daigle fuhr mit uns im Lift hinauf. Sein Gesicht war unregelmäßig vernarbt, und sein schwarzes Haar war über der Schädeldecke kurz geschnitten. Sein Hemdkragen saß viel zu eng, und er versuchte ihn ständig mit zwei Fingern zu lockern, als habe er Hautausschlag.
»Sie haben einen Kerl umgenietet und sind nicht im Innendienst?« sagte er zu Helen.
»Betreffender Kerl hatte bereits ein beträchtliches Loch im Leib«, sagte ich. »Außerdem hat er einen Polizisten erschossen.«
»Wie günstig«, bemerkte Daigle.
Helen sah mich an.
»Wie lautete die Anklage gegen Esteban?« fragte ich.
»Hausfriedensbruch,
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