Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Widerstand gegen die Staatsgewalt. Jemand hat ihn versehentlich von seinem Barhocker gestoßen, als Norma Jean ihren hysterischen Anfall gekriegt hat, weil sie glaubte, Gespenster zu sehen. Daraufhin ist der Zwerg dem Gast an die Eier gegangen. Der Streifenpolizist hätte ihn beinahe freigelassen, hat sich jedoch an euren Bericht erinnert. Er sagt, dem Typ Handschellen anzulegen sei fast so schwierig gewesen, wie einen Skorpion zu fangen«, erwiderte Daigle. »Weshalb interessiert ihr euch eigentlich für ihn?«
»Er hat Häftlinge der argentinischen Junta sexuell verstümmelt. Jack the Ripper war nichts gegen ihn.«
»Jack wer?«
Rubén Esteban saß allein auf der Bank hinten in einer Arrestzelle. Der Rand seines Panamahuts ruhte auf seinen abstehenden Ohren. Sein Gesicht war schmutzverschmiert, sein Teint gelblich stumpf, die Augen standen in ungewöhnlich schrägem Winkel zu seiner Nase.
»Na, was machen Sie denn hier in der Gegend, Kumpel?«
»Ich bin Koch. Bin hier, um die lokale Küche zu studieren«, antwortete er mit metallischer Stimme, die klang, als käme sie aus einem Resonator in seiner Kehle.
»Sie haben drei verschiedene Pässe«, sagte ich.
»Sind für meine Cousins. Wir sind ... wie heißt das? ... ein Team. Wir kochen überall in der Welt«, antwortete Esteban.
»Wir wissen, wer Sie sind. Verschwinden Sie aus dem Bezirk Iberia«, sagte Helen.
»Warum?« fragte er.
»Für Giftzwerge ist hier der Zutritt gesetzlich verboten«, erwiderte Helen.
Seine Miene war hölzern, undurchsichtig, die Augen verschleiert unter der Hutkrempe. Er berührte einen Schneidezahn und betrachtete die Speichelspur auf seiner Fingerkuppe.
»In der Vergangenheit haben Regierungen die Hand über Sie gehalten. Das wird hier nicht passieren. Habe ich mich verständlich gemacht, Mr. Esteban?«
» Me cago en la puta de tu madre «, antwortete er, den Blick auf seinen Handrücken fixiert, die Lippen über die Zähne geschoben wie zu einem verächtlichen Grinsen, wodurch sich sein Gesicht zu einer Fratze verzerrte.
»Was hat er gesagt?« fragte Daigle.
»Ihm fehlt offenbar jedes Verständnis für den Muttertag«, sagte ich.
»Dem fehlt noch viel mehr. Er hat nen Pinsel in der Hose. Was n Penis is, weiß der gar nicht«, sagte Daigle und begann zu kichern.
Draußen goß es noch immer in Strömen, als Helen und ich in unseren Streifenwagen stiegen.
»Was hat Daigle eigentlich gemacht, bevor er ein Cop geworden ist?« fragte Helen.
»War Rausschmeißer, glaube ich.«
»Darauf wäre ich nie gekommen«, sagte sie.
Rubén Esteban bezahlte noch am Nachmittag seine Geldstrafe und wurde freigelassen.
An jenem Abend saß ich in dem kleinen Büro, das ich mir in einem Lagerraum hinter dem Köderladen eingerichtet hatte. Auf meinem Schreibtisch lagen die Kopien des Ermittlungsberichtes über die Schießerei und den Tod von Alex Guidry, der Bericht des Gerichtsmediziners und die Tatortfotos vor der Scheune. Der Gerichtsmediziner bestätigte, daß Guidry bereits von einer Magnum-Patrone in die Brust getroffen worden war, bevor Helen überhaupt hatte abdrücken können. Die inneren Verletzungen wären vermutlich auch dann tödlich gewesen, wenn Helen mit ihrer Beretta kein Sieb aus ihm gemacht hätte.
Ein Foto zeigte das blutige Innere von Guidrys Cadillac, ein Einschußloch in der Stereoanlage und eines in der Beifahrertür, zusammen mit einem Blutspritzer an der Lederverkleidung der Tür, was darauf schließen ließ, daß der Schütze zumindest zweimal geschossen hatte und die tödliche Kugel Guidry getroffen haben mußte, als er am Steuer gesessen hatte.
Ein weiteres Foto zeigte Reifenspuren im Gras, die nicht vom Cadillac stammten.
Zwei Schüsse waren aus Guidrys 38er abgegeben worden, einer auf Helen, der andere vermutlich auf den unbekannten Täter.
Das Foto von Guidry war, wie die meisten Tatortaufnahmen, kraß in seinem Schwarzweißkontrast. Er lag mit dem Rücken gegen die Scheunenwand gelehnt, sein Rückgrat zu Bretterwand und Boden gekrümmt. Seine Hände und die Unterschenkel waren blutgetränkt, sein zerschossener Mund war offen, und sein verkürztes Gesicht wirkte wie das einer der gequälten Kreaturen auf einem Gemälde von Goya.
Draußen vor dem Köderladen brannte die Außenbeleuchtung, und der Wind trieb Regenschlieren über den Bayou. Das Wasser war über die Ufer getreten, und die Äste der Weiden schleiften in der Strömung. Ein totes Opossum trieb unter dem Fenster vorbei, der Bauch gelb und
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