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Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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ernähren muß.«
    »Er hat in Spanien gegen Franco und den Faschismus gekämpft. Komische Art, Neid abzureagieren.«
    »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
    »Ihre Tochter leidet ... wegen einer Episode aus der Vergangenheit. Und sie kann mit niemandem darüber sprechen. Ich vermute einen Zusammenhang mit der Figur des ›Gehängten‹ aus dem Tarot, und ich frage mich, ob es Jack Flynns Tod ist, der sie so quält.«
    Er krümmte die Finger in die Handfläche, als wolle er das Maschinenöl abreiben, und betrachtete sie sinnend.
    »Sie hat ihre Cousine umgebracht, als sie fünfzehn war. Oder jedenfalls ist sie davon überzeugt, es getan zu haben«, sagte er. Er sah, wie sich mein Ausdruck veränderte, wie meine Lippen versuchten, ein Wort zu formen. »Wir hatten eine Hütte in Durango, am Fuß eines Berges. Die beiden hatten den Schlüssel zu meinem Waffenschrank entdeckt und Schießübungen an einem Schneefeld gemacht. Die Lawine hat ihre Cousine in einem Wasserlauf unter sich begraben. Als man sie am nächsten Tag ausgegraben hat, war ihre Leiche aufrecht, in der Form eines Kreuzes gefroren.«
    »Das wußte ich nicht, Sir.«
    »Jetzt wissen Sieʼs. Ich gehe jetzt rein zum Essen. Möchten Sie uns Gesellschaft leisten?«
    Auf dem Weg zu meinem Pickup fühlte ich mich wie jemand, der eine friedliche Versammlung durch unflätige Bemerkungen gestört hatte. Ich saß hinter dem Steuer und starrte auf die Fassade des Terrebonneschen Hauses. Es lag mittlerweile im Schatten, die Vorhänge hinter sämtlichen Fenstern waren geschlossen. Welche Geheimnisse aus der Vergangenheit, welche privaten Katastrophen verbargen sich hinter diesen Mauern? Ich fragte mich, ob ich es je erfahren würde. Die Abendsonne hing wie eine in alle Richtungen flackernde rote Flamme in den Pinien.

20
    Ich erinnere mich noch an einen Weihnachtsmorgen fünf Jahre nach meiner Rückkehr aus Vietnam. Ich erlebte ihn in einer die ganze Nacht geöffneten, aus schwarzen Brettern zusammengezimmerten Kneipe mit einem Fußboden aus gestampfter Erde, über die man Schotter gekippt hatte. Ich stieg die Holzstufen zu einem verlassenen Parkplatz hinunter, die Gesichtsmuskeln taub vom Alkohol, blieb umgeben von Stille stehen und sah auf eine einzelne, moosverhangene Lebenseiche, die winterlich graue Viehweide, die hohle Kuppel des farblosen Himmels über mir, und spürte plötzlich die endlose Weite der Welt und welche Verheißung sie für jene bereithielt, die sich noch zu ihren Kindern zählten und nicht sämtliche Bande zum Rest der menschlichen Gemeinschaft gekappt hatten.
    Am Montag morgen besuchte ich Megan im Haus ihres Bruders und entdeckte einen Ausdruck in ihren Augen, von dem ich glaubte, daß er auch in meinen Augen an jenem Weihnachtsmorgen gestanden haben mußte.
    Hätten ihre Angreifer sie nur wenige Sekunden länger unter Wasser gehalten, hätte ihr Körper dem nachgegeben, was ihr Wille niemals zugelassen hätte, dann hätten ihre Lungen, Mund und Nase versucht, durch Wasser Sauerstoff aufzunehmen, und ihre Brust und Kehle hätten sich wie mit Zement gefüllt. In diesem Moment hatte sie im Schwebezustand zwischen den Welten das herzzerreißende Glück des Lebens erfahren, das wir so leichtfertig verschwenden wie die abgerissenen Seiten eines Kalenders. Aber niemals würde sie die Tatsache vergessen oder vergeben können, daß sie die Gnade des Lebens denselben Händen zu verdanken hatte, die zuvor ihr Brandmal in ihre Haut und ihr Gesicht in den Schlick gedrückt hatten.
    Sie wohnte im Gästehaus im rückwärtigen Gartenteil, und die Terrassentüren standen auf, und die Mittagsblumen um die Bäume glühten dunkelrot im Schatten.
    »Was ist das denn?« fragte sie.
    Ich legte die Papiertüte mit dem metallischen Inhalt auf ihren Frühstückstisch.
    »Eine Beretta, Kaliber Neun-Millimeter. Jemand zeigt dir, wie man damit umgeht. Dafür ist gesorgt«, sagte ich.
    Sie nahm die Pistole und das getrennt verpackte Magazin aus der Tüte, zog den Schlitten zurück und sah in die leere Kammer. Dann schob sie den Sicherungsriegel vor und zurück.
    »Für einen Polizisten hast du eine komische Einstellung«, sagte sie.
    »Wenn die Karten erst gemischt sind, sollte man auf alles gefaßt sein«, sagte ich.
    Sie steckte die Pistole wieder in die Tüte, trat auf die geziegelte Terrasse hinaus und sah über den Bayou, die Hände in den Gesäßtaschen ihrer weiten Khakihose.
    »Ich bin bald wieder okay. Hab schon Schlimmeres durchgemacht«, sagte sie.
    Ich trat zu

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