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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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Schuhe der Jungens hatten hinter ihnen schlammige Spuren gemalt.
    »Sohn«, sagte Gustav.
    Er zeigte auf Frieder, der sich nicht von der Stelle rührte.
    »Er spricht nicht«, flüsterte Giese.
    Konstantin stellte sich vor seinen Bruder, verschränkte die Arme vor der Brust und sagte mit leuchtenden Augen:
    »Bist du weit weg gewesen im Krieg, Vater?«
    Später richtete Giese das kleine Kämmerchen für Magdalena her. Es war ganz oben unter dem Dach, es gab kein Licht in der Nacht, aber eine Petroleumlampe mit einem kleinen Docht und einem Glasschirmchen. Giese zeigte ihrer Tochter, wie man sie anzündet, und schärfte ihr ein, das Licht auf keinen Fall während der Nacht brennen zu lassen. Sie schwieg über den Vater, und Magdalena wagte nicht zu fragen. Die Tränen in Gieses Augen sah sie aber doch.
    Zum Abendessen waren Märthe und Wilhelm gekommen. Giese hatte Fleisch geholt, und Magdalena hatte zugesehen, wie Gustav sein Kotelett kleinschnitt und so lange kaute, dass sie schon dachte, er schluckt es nie hinunter. Sogar Konstantin saß artig am Tisch. Mit geradem Rücken und ohne die Ellbogen aufzustützen.
    Die Erwachsenen wechselten während des Essens nur wenige Sätze. Wilhelm versuchte einen Scherz, aber niemand lachte, nicht einmal Märthe.
    Konstantin ließ hin und wieder einen Blick über das frisch gewaschene Kleidchen gleiten, Magdalena bemerkte es wohl. Aber sie fühlte sich beschützt durch die unvorhergesehenen Ereignisse dieses Tages – an einem solchen Tag würde Konstantin wegen ihres Verrates keine weiteren Rachegedanken hegen.
    Um in ihr neues Kämmerchen zu gelangen, musste Magdalena den Flur entlang, eine enge Stiege hinauf und dann genau vierzehn Schritte über den schwarzen Dachboden gehen. Keine Wände zur Orientierung und keine Türen, nur der fahle Schein der kleinen Flamme.
    Konstantin kam herauf, gerade, als sie schlafen gehen sollte. Für ihn wäre die abgelegene Kammer so ganz nach seinem Geschmack gewesen. Er näherte sich seiner Schwester und zupfte an ihrem Kleid.
    »Blütenweiß«, sagte er verächtlich und trat einen Schritt zurück, »biste zu Märthe gerannt, na?«
    Magdalena sagte nichts.
    »Gewonnen hätte ich auf der Rennbahn«, sagte er nur, »weißt du, was das heißt? Gewonnen?«
    Er hat Geld genommen, ohne zu fragen, das ist Diebstahl, das ist so, das weiß Magdalena ganz sicher, man darf es nicht, darf das Geld nicht der Mutter wegnehmen, niemandem darf man es wegnehmen, vor allem nicht der Mutter. Sie darf es nicht zulassen, dass ein andrer das macht, schon gar nicht Konstantin, der sich immer nimmt, was er will, und dann weint die Mutter. Darum hat sie es der Mutter gesagt, nur darum.
    »Du hast es gestohlen«, sagte Magdalena.
    »Ich hatte auf das Siegerpferd gesetzt, verstehst du? Auf das richtige Pferd – aber ohne Einsatz gilt ’ s doch nicht!«
    Jetzt stand er dicht vor ihr, zwischen ihnen nur das kleine Lämpchen. Sie kann seinen Schweiß riechen und das erinnert sie an etwas, an Flugzeuge und an Einschläge direkt in der Nähe. Daran will sie nicht denken, nie wieder. Tränen liefen dem Jungen über sein schmales Gesicht. Es war das Gesicht des Vaters, so viel erkannte Magdalena jetzt. Tränen weint er, aber ein Dieb ist er! Mutter sagt jeden Tag, er bringt sie noch ins Grab.
    »Mit dem Gewinn hätten wir an die See fahren können. Und Mutter wäre wieder gesund geworden«, sagte Kon­stantin bitter im Hinausgehen.
    Vielleicht hatte die Mutter vergessen, das Petroleum in Magdalenas Lämpchen aufzufüllen, und deswegen ließ es sich an diesem Morgen nicht anzünden. So musste das Kind im Dunklen aufstehen, nach den Kleidern tasten, die ordentlich gefaltet am Fußende lagen, und die wollenen Socken über die kalten Füße ziehen. Schon fast an der Treppe angekommen, dachte Magdalena daran, die Lampe mit hinunterzunehmen, das würde ihr einen Weg sparen. Sie kehrte um und fand das kleine, kühle Lämpchen auf Anhieb.
    Vielleicht lag es an den Ereignissen, die in die Ordnung von Magdalenas Leben eingebrochen waren, die so anders waren, als sie sich vorgestellt hatte. Vielleicht konzen­trierte sie sich auch nur nicht genügend auf das Abzählen ihrer Schritte, leichtsinnig, weil es gerade eben erst gelungen war, ohne Licht den angstengen Weg zu gehen?
    Als sie den vermeintlich letzten Schritt bis zum Treppenabsatz machte, stürzte sie. Sie riss die Hände hoch, um ihr Gesicht zu schützen, versuchte, sich klein zu machen, zu rollen, nicht anzuschlagen, aber da

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