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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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Salatsetzlinge vor Arndts Trampeltierbeinen zu retten.
    »Du wirst als reicher Mann dastehen. Im nächsten Frühling.«
    Arndt durchpflügte das Karottenbeet.
    Gustav hatte vor allem an die größer werdende Familie gedacht und wie er dastehen könnte vor Giese, wenn er mit dem Doppelten (vielleicht sogar mit dem Vierfachen) nach Hause käme. An ihr Stoffgeschäft, von dem sie träumte, seit er sie kannte. Wie sie stolz auf ihn sein könnte und er eine Entscheidung getroffen hätte ganz ohne ihr Zutun.
    Als Giese darauf drängte, eine andere Wohnung zu finden, die ein Zimmer mehr hatte und vielleicht sogar ein Bad, »weil ja auch das nächste Kind kommt«, da musste er ihr gestehen, dass er das Sparbuch hergegeben hatte.
    Statt einer Tankstelle besaß Arndt wenige Wochen später ein nagelneues Auto mit aufklappbarem Verdeck.
    An einem Sonntagnachmittag fuhren sie vor, uneinge­laden. Giese blieb der Mund offen stehen, als Roswitha ihren schweren Körper aus dem Auto wuchtete und durch den Garten auf das Haus zu walzte, Arndt in kurz­atmigen Schrittchen hinter ihr her.
    »Machst du uns noch was Kaffee?«, dröhnte Roswitha mit ihrer Baritonstimme durch das Haus. Sie ließ den Blick durch das Zimmer schweifen.
    »Ist ja alles recht einfach bei euch hier, nicht?«, sagte sie und zupfte ihr teures Jäckchen zurecht.
    Giese kam mit dem Kaffee zurück und ersparte Gustav eine Antwort.
    »Wann können wir denn mal die Tankstelle sehen?«, fragte sie beiläufig.
    »Welche Tankstelle?«, fragte Roswitha, ehrlich überrascht.
    Giese sah erst sie an, dann ihren Schwager.
    »Hat dein Mann dich etwa übergangen? Kann ich mir ja gar nicht vorstellen«, sagte sie sehr freundlich.
    Roswitha rutschte jetzt hektisch auf ihrem großen Hintern hin und her. Mit ihren kurzen Ärmchen stieß sie Arndt in die Seite und klappte den Mund auf und wieder zu, ohne etwas zu sagen.
    »Männerangelegenheiten«, sagte Arndt schließlich.
    »Ich glaube kaum, dass es Männerangelegenheiten sind, oder was sagst du dazu, Gustav?«, fragte Giese.
    Gustav suchte verzweifelt nach einer Erklärung. Roswithas Parfüm legte sich wie ein Schließeisen um seinen Hals. Er stürzte hinaus.
    »Kommt der noch mal zurück?«, fragte Roswitha, als sei überhaupt nichts gewesen.
    »Mein Bruder wieder. Hat nicht die Nerven für Geschäfte«, sagte Arndt, der es nun doch eilig hatte, wieder zu verschwinden, nicht zuletzt, weil Giese ihn ansah, als wäre er der Teufel höchstpersönlich.
    »Arndt hat unser Geld durchgebracht, ist es nicht so?«, fragte Giese am Abend.
    Er konnte nicht antworten, weil er sich die Schmach, von seinem eigenen Bruder betrogen worden zu sein, nicht eingestehen wollte. Er wusste, dass Giese recht hatte.
    Am nächsten Morgen wurde seine Tochter geboren und es war Krieg.
    In den Nächten nach Gustavs Rückkehr lag Giese wach und lauschte auf seinen Atem.
    »Der Oppa hat eingeatmet«, sagte sie oft zu uns Enkelkindern, wenn sie uns um Ostern herum für ein paar Tage besuchen kam, »eingeatmet, und dann hast du gedacht, der ist tot, so still war der dann.«
    Ich stellte mir einen vollgeatmeten Großvater vor.
    Großmutter Giese hatte zu dieser Zeit ein künstliches Gebiss, für das wir uns brennend interessierten. Oma Irma hatte auch eines, aber sie gab es uns nicht, dafür ließ sie uns manchmal ihre Brustprothese fühlen, was noch einen Tick unheimlicher war als die falschen Zähne.
    Das Gebiss nahm Giese an dieser Stelle ihrer Geschichte raus und gab es mir in die wartenden Hände.
    »Und dann«, sagte sie, »dann hat der fo gefnappt«, und dabei machte sie einen unheimlichen, scharfen und zischenden Laut, den sie, so behauptete sie, mit den Zähnen nicht überzeugend darbieten könnte.
    Sie sog die Luft mit einem hohlen Ton zwischen ihren nun eingefallenen Lippen hindurch ein und atmete sie irgendwohin in die Tiefen ihres Körpers, und das lenkte meine Aufmerksamkeit auf eine weitere Besonderheit meiner Großmutter: Denn in diesen Tiefen, so hatte Mag­dalena mir eines Tages flüsternd verraten, da befände sich nur noch ein halber Magen. Und wegen des halben Magens könnten Großmutter Giese zum Frühstück keine Marmeladenbrote zugemutet werden, und Kaffee auch erst nach halb zehn. Neidvoll betrachtete ich die Extradose mit Wurst, die Magdalena gut gefüllt hielt und nur ihrer Mutter servierte. Allmorgendlich verschwanden Schinkenscheiben, Gelbwurst, Lyoner und Salamistücke in beeindruckender Geschwindigkeit hinter Gieses künstlichen

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