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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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streichen. Ein kleiner Teil von ihm würde gerne wissen, warum sie das tat. Da sah Johannes, dass sich quer über ihre Stirn eine hauchdünne Narbe zog, die aussah wie eine Höhenlinie.
    »Höhenlinie«, sagte er.
    Johannes wies auf ihre Stirn.
    »Warum verbergen Sie Ihre Höhenlinie?«, fragte er, begeistert von seinem Einfall.
    Sie kämmte sich mit den Fingern rasch die Haare zurecht und wurde rot.
    »Ein Unfall«, sagte sie.
    Ihre Einsilbigkeit gefiel ihm. Ihre Reserviertheit – ein Umstand, der ihn über die Maßen begeisterte, sogar auf eine Art, wie er sie einer fremden Frau gegenüber noch nicht gespürt hatte. Das hier war etwas Neues für ihn, etwas, das noch nie vorgekommen war: Mit dieser Frau wollte er sprechen.
    »Der Wind ist hier sehr frisch«, sagte Johannes. »Kommen Sie ein Stück mit? Ich möchte Fotos machen.«
    »Sie fotografieren?«, fragte Magdalena.
    »Für einen Vortrag am Institut.«
    Sie schwiegen.
    »Da drüben bin ich schon gewesen«, sagte Magdalena. Sie zeigte auf eine im Nebel liegende Inselgruppe.
    »Geschwommen?«, fragte Johannes ungläubig.
    »Nein, mit der Fähre gefahren«, sagte Magdalena und ­lächelte über den Mann, mit dem sie sich hier unterhielt, ganz aus dem Rahmen gefallen und völlig außerhalb eines Arrangements. Er gefiel ihr. Der Mann, das musste sie zugeben, gefiel ihr.
    »Sie sind häufig am Meer?«, fragte Johannes.
    »So oft ich kann«, sagte Magdalena.
    Sie sah ihn an.
    »Und Sie?«, fragte sie schließlich.
    »Ich reise mit Mutter.«
    Der Himmel klarte auf. Man sah die kleinen vorgelagerten Inseln nun deutlich.
    »Die Flut kommt«, sagte Magdalena.
    Vom Haus her hörte man Schritte, die sich näherten. Jemand kämpfte sich den Sandweg hoch.
    »Frollein Magdalena«, rief einer atemlos.
    »Jorgensen«, sagte Magdalena.
    »Ihr Chef?«
    Sie nickte. »Ich muss zurück.«
    Er verabschiedete sich und ging ein paar Schritte. Dann drehte er sich zu ihr um und rief: »Ich heiße übrigens Johannes. Johannes Wackermann. Und Sie?«
    »Magdalena«, rief sie zurück.
    »Hätte ich wissen müssen.«
    Er lächelte.
    Sie winkte.
    Johannes überraschte Magdalena (und sich selbst) am nächsten Morgen mit dem abermaligen Vorschlag zu einer gemeinsamen Wanderung.
    »Gehen Sie schon«, sagte Jorgensen über seinem üppigen zweiten Frühstück, nachdem er kurz zwischen Johannes und Magdalena hin- und hergesehen hatte und ihm wohl nicht entgangen war, dass Magdalena ihre Bluse für sonntags angezogen hatte, obwohl Donnerstag war, und ihr Haar besonders sorgfältig frisiert trug. Mit einer knappen Handbewegung winkte er sie in Johannes ’ Richtung. »Ich fahre allein in die Stadt, na los.«
    Magdalena zögerte, bis Irma hinzukam, die selbstverständlich alles beobachtet hatte.
    Johannes stellte sie einander formvollendet vor. Magdalena nahm es ausgesprochen freudig zur Kenntnis.
    Irma sprach in lobenden, aber nicht zu lobenden Worten von Johannes und seinen gerade eben erst errungenen wun ­derbaren Abschlussnoten und lud Magdalena großzügig, aber nicht zu großzügig zu einem Fruchtcocktail ein. So könne man sich doch wesentlich besser unterhalten, nicht?
    Weil Magdalena schwieg und auch Johannes nichts Wesentliches zum Gespräch beitrug, erzählte sie ausführlich von ihrem Leben mit Thea, »meiner sehr lieben Schwester«, und kam schließlich auf die Universitätslaufbahn ihres Sohnes zu sprechen. Nicht ohne nachdrücklich die Stelle am Institut ihres Bruders Meinrad zu erwähnen, »die so hervorragend zu Johannes passt«.
    Irmas Rede verfehlte ihre Wirkung nicht. Magdalena nickte und legte ihr Löffelchen zurück in das leergegessene Dessertschälchen.
    Was für eine gute Idee das Institut eventuell sein könnte, wie passend, das sehe sie auch so, obwohl sie das nicht ab schließend beurteilen könnte, das nicht, aber es würde doch vielleicht dort die Chance bestehen, später einmal weiterzukommen? Sie selbst habe einen Bruder, Konstantin, der sei Ingenieur und betone stets, wie wichtig das Ergreifen von Gelegenheiten sei.
    Irma lächelte leise. Mit den richtigen Stichworten versorgt, würde Magdalena eine wunderbare Schwiegertochter sein. Wie die Augen, die so skeptisch schauen konnten, jetzt leuchteten. Irma war zufrieden. Der Rest würde sich schleifen.
    Weder Magdalena noch Johannes blieb etwas anderes übrig, als noch an Ort und Stelle mit ihr einen mehrstündigen Strandspaziergang zu planen.
    Durch Magdalenas stille Art befeuert, bewegte sich Irma wie ein eifriges

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