SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
vergrößernden Riss zu flicken versuchte.
Die Muschellichter an den Wänden flackerten. Dann ertönte ein Knall. Funken tanzten die Streben des Metallgerüsts entlang. Darren Hag schrie auf, sprang zur Befragungsplattform herab, während das Bassin aufbrach und die herausströmenden Massen sich den Weg nach unten bahnten.
Shanija reagierte zu spät. Ein Sturzbach aus grüner Grütze ergoss sich über ihr Haupt. Etwas Glitschiges prallte gegen ihren Hinterkopf, flutschte den Rücken hinunter und platschte in die Brackwasserpfütze, die über den Boden verlief.
Shanija wischte sich die nassen Locken aus dem Gesicht und betrachtete das schleimige Geschoss genauer. Ein etwa armlanger Wurm, der aus weißer geleeartiger Masse bestand. »Ist das eine Larve?« Sie stupste das Wesen vorsichtig an, schaute nach oben in die Flüstertüte und lauschte dann in die plötzlich eingetretene Stille. Sie begriff augenblicklich den Zusammenhang. »Ich glaube, die Ameise hat statt mir das wahre Orakel getroffen!«
»Und darüber werden die Bürgermeister nicht gerade erfreut sein.«
Überrascht von der fremden, volltönenden Stimme war Shanija sofort wieder kampfbereit, riss das Schwert hoch und hielt es in einer schnellen Drehung vor die Kehle des groß gewachsenen Mönchs, der – unbemerkt! – neben sie getreten war.
»Eine Bewegung, und dir geht’s genauso wie deinem Insektenkumpel!«
Der Kuttenträger blickte auf die im Schlick schwimmenden Überreste der Riesenameise. »Ich hätte dich längst töten können, wenn ich gewollt hätte. Aber ich bin keine Gefahr für dich.« Ganz langsam zeigte er seine leeren Hände und schlug die Kapuze zurück. »Ich bin Mun. Adept des Zentralarchivs. Meine Aufgabe besteht darin, zu beobachten und Informationen zu sammeln, nicht anderen Schaden zuzufügen.«
Shanija war nicht überzeugt. »Ein Adept? Das war der da auch.«
»Er lügt! Es gibt keine menschlichen Adepten«, rief Seiya, die zusammen mit Darren Hag As’mala stützte. Die Drei trafen gerade ein.
»Einen Augenblick.« Shanija hob mahnend den Zeigefinger. »Rühr dich nicht, wir reden gleich weiter, aber zuerst sind meine Freunde dran.« Sie steckte das Schwert ein, denn Mun hatte Recht – wenn er sie hätte töten wollen, wäre das längst geschehen. Er war aus einem anderen Grund hier, aber das konnte noch etwas warten.
Erleichtert wandte Shanija sich den Gefährtinnen zu. »Ich bin glücklich, euch einigermaßen heil wiederzusehen!« Beinahe wäre sie ihnen um den Hals gefallen, aber sie hielt sich gerade noch zurück. Anscheinend eine Nachwirkung der geistigen Beeinflussung der letzten Tage. Ihre Augen suchten den Blickkontakt mit Darren. »Danke. Wie auch immer du das gemacht hast.«
»Vergaß ich bei unserem letzten Date zu erwähnen, dass ich Telekinet bin?« Er zwinkerte. »Ich hoffe, du verzeihst mir die etwas grobe Rettungsaktion. Ich hatte zu wenig Zeit, um einen eleganteren Plan zu entwickeln.«
»Verstehe. Jemanden über die Brüstung zu schubsen, nennt man
Rettung
. Na, prima.« Shanijas Augen funkelten.
»Wenn ich nicht da gewesen wäre, hättest du einen ganz anderen Höhenflug unternommen.«
»Warum warst du überhaupt da?«
»Ich sollte die Flüstertüte reparieren, klingelt’s jetzt?«
»Oder du steigst mir nach! Seit ich hier angekommen bin, läufst du mir ständig über den Weg.«
»Ich dir …« Darren lachte lauthals. »Du träumst wohl!«
»Bei uns zu Hause in Zata sagt man: Was sich liebt, das fetzt sich«, bemerkte As’mala.
Seiya grinste fröhlich. »Bei uns gibt es einen ganz ähnlichen Spruch.«
Shanija winkte ab. Ihre Aufmerksamkeit wanderte zurück zu dem Adepten. »Also gut, dann noch mal zu dir: Wer bist du? Und diesmal will ich die Wahrheit hören.«
»Mein Name ist Mun. Ich bin Angehöriger der Gilde der Wissensträger. Ausgebildeter Adept. Unterwegs im Auftrag des Zentralarchivs.«
»Aber du siehst aus wie ein Mensch«, sagte die Prinzessin dazwischen.
Der schwarzäugige Mann zeigte keine Regung. Er stand gelassen da in seiner schlichten dunkelblauen Kutte, einen abgewetzten Lederbeutel um die Schulter hängend. Auf der Brust war ein Zeichen eingestickt, ein in sich verschlungenes Band. Sein Kopf war kahl geschoren. Sogar die Brauen hatte er entfernt. Dadurch war sein Alter schwer zu bestimmten. Doch die Fältchen in den Augenwinkeln verrieten Shanija, dass er die Dreißig bereits weit überschritten hatte.
»Genau genommen bin ich der erste menschliche Adept«,
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