SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
Duftmischung aus Hagebutte, Kirsch und Pfefferminz. Ein einziges unübersichtliches Chaos. Darren achtete allerdings darauf, nicht ins Sichtfeld der Bürgeraufsicht zu geraten, denn er nahm an, dass inzwischen ein Haftbefehl auf ihn ausgestellt worden war – wegen Zerstörung öffentlichen Eigentums und unrechtmäßig erlangter Honorare.
Kurz vor der Abzweigung, an der sie gestern von tausenden Ameisen in die Enge getrieben worden war, beschlich Shanija unwillkürlich ein mulmiges Gefühl. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit intensiver auf die Umgebung, betrachtete das schreiend bunte Plakat für das alljährliche Quenquan-Fest an der Wand und entspannte sich erst, als sie die Treppe zum Bahnsteig erreichten. Von hier aus ging es etwa zweihundert Meter abwärts.
Der Zug wirkte imposant durch die vielen Waggons, die sich hinter der Lokomotive auffädelten. Grob geschätzt warteten einhundert Wagen auf Fahrgäste.
»Wodurch wird die Halle derart gut beleuchtet?«, fragte Shanija ihre Gefährten.
»Sonolumineszenz durch Kavitation«, antwortete Darren.
»Bei der Kehrseite Anamas – wo hast du diesen Zungenbrecher aufgeschnappt?« As’mala grinste. »Du willst Shanija wohl beeindrucken, statt einfach
Pulet
zu sagen?«
»Ich bin wissenschaftlich korrekt«, gab Darren trocken zurück. »Dieser Begriff sagt ihr sicher mehr als unser Alltagsdialekt.«
»Eigentlich nicht«, gestand Shanija.
As’mala warf ihm einen Blick zu, der so viel bedeuten sollte wie »Sie kommt ja auch von außerhalb«. Shanija schmunzelte. Natürlich kannte sie die von Darren verwendeten Termini. Seit mehr als fünfhundert Jahren benutzte die Menschheit Sono-Waffen, die auf der Grundlage des Schalls funktionierten. Und Lumineszenz bedeutete …
»Die Schallwellen, die von der Flüstertüte abgestrahlt werden, treffen auf das Wasser an der Decke.« Er deutete empor. Shanija folgte seinem ausgestreckten Arm und erspähte die ungefähr ein Meter durchmessende, durchsichtige Wanne, die in der Mitte der Decke montiert war und längs der gesamten Halle verlief. »Durch ihre Intensität erzeugen sie ohne Unterbrechung Hohlräume in der Flüssigkeit, die rasch kollabieren und Lichtblitze abgeben.«
»Interessant«, antwortete Shanija. »Und sehr effizient. Für ein derart starkes Licht benötigen wir einiges an Strom und Leuchtröhren.«
»Leuchtröhren?«, fragte Darren.
»Statt in Wasser fangen wir das Licht in mit Gas gefüllten Behältern ein.«
»Auch eine Möglichkeit.«
Beim Anblick der Lokomotive fühlte Shanija sich in einen der Historienfilme der Erde versetzt, die über den Wilden Westen berichteten. Ein Filmausstatter hätte ob dieser Requisite mehrere Luftsprünge vollführt. Das Aussehen der Eisenbahn legte nahe, dass der Erbauer menschlichen Ursprungs gewesen sein musste. Sie bezweifelte, dass eine Kröte aus dem Volk der Uriani oder eine der kuntarischen Echsen in selben Bahnen wie die Menschen des 18. Jahrhunderts dachten. Andererseits konnte sie nicht ausschließen, dass ähnliche Aufgabenstellungen überall im Kosmos zu ähnlichen Lösungen führten; überhaupt angesichts der Vielfalt an Lebewesen, die sich auf Less tummelten, und die hier in einer reichen Auswahl anzutreffen waren. Für Shanija immer wieder von neuem faszinierend, wie reichhaltig das Leben war. Bisher waren die Menschen erst einem anderen Raumfahrervolk begegnet, den Quinternen, über die sie nichts wussten, und mit denen sie trotzdem Krieg führten. Auf Less aber hatte sich, bedingt durch die extremen Bedingungen, eine größtenteils friedlich miteinander lebende multikulturelle Gesellschaft gebildet.
»Less an Shanija!«, rief As’mala, die mit Darren und Mun bereits mehrere Stufen nach unten gestiegen war. »Kommst du?«
Shanija schob die Gedanken beiseite und folgte ihnen hinunter auf den Bahnsteig. »Wo ist unser Waggon?« Shanija fischte ihre Karte aus einer der Seitentaschen ihrer dunkelblauen Jacke. »Fünfundsiebzig«, las sie und suchte nach einer Nummer auf den Wagen zu ihrer Linken.
»Weiter vorn«, erklärte Darren und deutete auf den Boden. In violetter Leuchtfarbe prangten Ziffern auf dem Bahnsteig. Sie waren an Position Einhundertvier.
Shanija schritt los. Ein Quietschlaut und ein Widerstand unter ihrem rechten Fuß ließ sie innehalten.
»Pass doch auf, du Trampel!«, piepste etwas. Eine Art Ratte drohte ihr mit der linken Vorderpfote. Eine unsichtbare Kraft drückte Shanijas herabgesenkten Fuß so lange nach oben, bis sie rückwärts
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