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SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)

SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)

Titel: SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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nicht mehr als eine kräftige Mahlzeit dafür, und du würdest mir einen persönlichen Gefallen tun.«
    Der Dicke warf dem Bettler einen skeptischen Blick zu, dann zuckte er mit den Achseln. »Meinetwegen«, grunzte er. »Er kann gleich anfangen.«
    Sagelot Masim war anzusehen, dass er in diesem Moment am liebsten auf der anderen Seite des Mondes gewesen wäre, so weit wie möglich vom Zentralarchiv und vor allem von der auf ihn wartenden Arbeit entfernt. Muns Gesicht war ernst, als er den Bettler bis auf wenige Zentimeter an sich heranzog und ihm tief in die Augen schaute.
    »Enttäusche mich nicht, Sagelot Masim«, sagte er so leise, dass es niemand außer dem Mann hören konnte. »Denke in den nächsten beiden Stunden darüber nach, was du mit dem Rest deines Lebens anfangen möchtest. Nur diese beiden Stunden. Mehr verlange ich nicht von dir.«
    Der Bettler zögerte einen Moment, doch er wich dem Blick Muns nicht mehr aus. Dann wischte er sich mit dem Handrücken über die schmutzige Stirn. »So sei es, Hoher Herr«, sagte er tonlos.
    Der Adept nickte und trat einen Schritt zurück. Ohne sich noch einmal umzusehen, setzte er den Weg zum Weißen Portal fort. Als er den freien Bereich vor dem Archiv betrat, blieben die Neugierigen hinter ihm zurück. Es mussten inzwischen mehrere hundert sein. Die Nachricht, dass ein Adept das Zentralarchiv betreten würde, hatte sich wie ein Steppenfeuer verbreitet, und dieses Schauspiel wollte sich niemand entgehen lassen.
    Mun verlangsamte seine Schritte unwillkürlich, je näher er dem Portal kam. Das Archiv füllte längst sein gesamtes Blickfeld aus, und ebenso, wie es nun seinen kompletten Gesichtskreis beherrschte, so hatte es sich auch in seinem Geist eingenistet und alle anderen Gedanken verdrängt. Der Adept fühlte sich bis in die tiefsten Tiefen seiner Seele durchleuchtet; nichts blieb im Verborgenen und selbst seine geheimsten Wünsche und intimsten Phantasien wurden ans helle Licht gezerrt und ihm bewusst.
    Zu Beginn war Mun diese Prozedur entwürdigend und unnütz erschienen. Mit den Jahren begriff er, dass er mit dem Zentralarchiv nicht einfach nur ein Gebäude betrat. Das Archiv war so viel mehr, als nur ein Sammelbecken für Informationen, ein Speicherort für Daten und Fakten. Es war für jeden Wissensträger ein Stück Heimat, der Ersatz für alles, was er mit dem Eintritt in die Gilde aufgab. Es war ein Symbol und ein Bild, das man während der Wanderschaft im Herzen trug und das einem Kraft und Zuversicht schenkte, wenn man sie benötigte. Um das Archiv drehte sich alles. Es war schon immer da gewesen, und es würde noch da sein, wenn in ferner Zukunft der letzte Adept von seiner Reise nach Hause zurückkehrte.
    Mun konzentrierte sich auf den Durchgang und schritt wieder energischer aus. Die undurchdringlich wirkende Mauer vor ihm war nichts weiter als Gestalt gewordener Wankelmut. Wer an das glaubte, was er tat, den konnte nichts aufhalten. Für all die ungezählten Zweifler und Zauderer, die ihm mit großen Augen hinterher starrten, war das Weiße Portal ein undurchdringliches Hindernis. Doch nicht für ihn. Er war Mun, einziger menschlicher Wissensträger der Gilde, und er war gekommen, um eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.
    Ohne das geringste Zögern ging der Adept weiter, traf auf die Außenmauer des Zentralarchivs – und schritt durch sie hindurch, als wäre sie nicht vorhanden. Die lauten Rufe des Erstaunens und den vereinzelt aufkommenden Applaus der Schaulustigen hörte er schon nicht mehr.
    Mun fand es immer wieder bemerkenswert, wie schnell Erinnerungen verblassten. Er hatte fast drei Jahre im Kreis der Bemühung verbracht, und doch erzeugte der Anblick der langen Gänge, der Torbögen, Gemeinschaftsräume, Meditierkammern und Studierzimmer kaum mehr als ein schwaches Echo in seinem Geist. Im Vergleich mit den Wundern, die er auf seinen Reisen als Adept geschaut, mit den erstaunlichen Dingen, die er allein in den vergangenen Lunarien erfahren hatte, wirkte das Zentralarchiv auf einmal seltsam alltäglich und monoton.
    Die Anspruchslosigkeit der Wohnzelle, die man ihm zugewiesen hatte, unterstrich diesen Eindruck. Ein hölzernes Lager mit einer dünnen Matratze, ein ebenfalls hölzerner Tisch mit zwei Stühlen und ein direkt in die steinerne Wand gehauenes Wäschefach; größeren Komfort gestanden die Herren des Zentralarchivs ihren Schülern und Beauftragten nicht zu.
    Mun musste lächeln, ein Luxus, den er sich nur äußerst selten erlaubte.

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