SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
aus Shanijas Erzählungen, dass sich die Feinde der Menschheit bisher nie um einen Kontakt bemüht hatten. Bisher hatte ihr Motto »Angriff auf Sicht« gelautet. Schießen, nicht fragen. Wenn sie einmal Gefangene gemacht hatten, so wurden diese zwar untersucht, aber ein Dialog hatte nie stattgefunden. Folterungen waren an der Tagesordnung, doch ihr Zweck blieb völlig unklar.
Wie so oft in letzter Zeit fühlte As’mala, dass sich etwas verändert hatte. Etwas Neues, Gefährliches bahnte sich an auf Less.
Als ihr zum wiederholten Male eine Strähne entglitt, warf sie das halb beendete Werk über die Schultern zurück und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand der Kerkerzelle. Das lederartige organische Material gab leicht nach.
ELIUM
, dachte sie.
Früher war es bloß eine Legende gewesen, eine der vielen mystischen Geschichten von Less, diesem kulturellen Schmelztiegel unterschiedlicher Völker und Rassen.
Wie unschuldig wir damals waren
, dachte sie,
in der abenteuerlichen und so … glücklichen … Zeit vor dem Übergang
.
As’mala gönnte sich diesen kurzen Ansturm nostalgischer Verklärung. Sie hatten vieles aushalten und erdulden müssen. Ihre Leben waren nicht nur einmal ernsthaft bedroht gewesen. Und doch …
Zusammen mit Seiya, der blutjungen Prinzessin, und der Soldatin –
Geschwaderkommandantin!
– Shanija Ran hatten sie ein fast unschlagbares Trio gebildet; verstärkt durch Shanijas kleinen Schmuckdrachen Pong, der ihnen gleichsam Unterhaltung, Maskottchen und Helfer in der Not gewesen war. Im Verlauf der Zeit war ihre Gruppe um Mun und Darren Hag angewachsen. Gemeinsam hatten sie es mit allem und jedem aufgenommen.
Aller Gefahren, Prophezeiungen und dunkler Machenschaften feindlich gesinnter Gruppierungen zum Trotz schienen sich die damaligen Geschichten mit einer geradezu spielerischen Leichtigkeit entwickelt zu haben. Zuversichtlich geradeaus gehen, auf das Glück des Tüchtigen vertrauen und …
Ja!
… Spaß haben daran. So hatten sie damals gelebt.
Unschuldig eben
, dachte As’mala mit einem Anflug von Wehmut.
Sie hatte einen Teil der damaligen Leichtigkeit verloren. Schon vor dem Tod ihres Mannes Ragedun (
nicht an ihn denken, vor allem nicht an ihn!
) hatten die Passage, ihre zeitweilige Funktion als Bürgermeisterin von Zata und ganz besonders die Geburt ihrer Tochter Liri ihr Leben verändert. As’mala hatte zwar immer noch bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit einen flotten Spruch auf den Lippen, fluchte, wie es ihr beliebte und doch … Auf eine seltsam traurige Art hatte sich seither vieles gewandelt. Sie fühlte die Verantwortung als Mutter und als Bewohnerin von Less.
Nein!
, korrigierte sie sich in Gedanken.
Es ist die Verantwortung als Mensch, die ich spüre
.
Schwer wie ein riesiger Mühlstein drückte das Pflichtgefühl auf ihre Schultern und machte die alltäglichen Entscheidungen zur ideologischen Gratwanderung.
Wie gerade jetzt.
Das Wissen um die Existenz dieses seltsamen Mädchens könnte unter Umständen zum ausschlaggebenden Punkt in einem Konflikt von wahrhaft
galaktischer
Dimension werden. Je klarer diese Erkenntnis durch ihre inneren Schutzmauern drang, desto nervöser wurde As’mala.
»Bei Zyrkans verfaulten Innereien – das kannst du doch jetzt nicht ehrlich abwägen wollen!«, zischte As’mala, als ob sie einem Gesprächspartner gegenüber sitzen würde.
Die Verantwortung als Mutter versus der Verantwortung als Mensch
…
Was für ein unmögliches, unfaires, perverses Gedankenspiel!
As’mala musste davon ausgehen, dass ihre Tochter hier in ELIUM gefangen gehalten wurde – zusammen mit den anderen entführten Kindern. Noch wusste sie nicht, wie es Liri ging und welches Schicksal ihr möglicherweise drohte. Ein für eine Mutter normalerweise unerträglicher Zustand.
Für eine
gute
Mutter.
Bin ich das?
, fragte sie sich.
Bin ich eine gute Mutter?
Wie viel steckte von ihrer eigenen Mutter Tititajanaheraninyidirakar, genannt Akar, in ihrem Blut? As’mala war als achtes von mindestens zwölf Kindern aufgewachsen. Nicht dass sie schlecht über ihre Mutter dachte oder in Verbitterung an ihre Kindheit. Dafür hatte sie als Tochter eines Diebes und einer Schauspielerin einfach zu viel Spaß gehabt. Die wandelnde Bühne auf den flachen Rückenpanzern der echsenartigen Tiere brachte die kleine As’mala weit herum. Sie lernte, sich schnell auf neue Situationen einzustellen und mit Lebewesen unterschiedlichster Art auszukommen. Die Theaterleute
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