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die Stäbe knöchelartige Verdickungen auf.
Ohne ernsthaft an einen Erfolg zu glauben, ergriff sie zwei Stäbe, die eine knappe Handbreit auseinander standen, und zog mit aller Kraft daran.
»Kommt schon, ihr Scheißdinger!«, ächzte sie.
Vier pochende Herzschläge lang zog sie an den Stäben, bis die überforderten Muskeln schmerzten. Wütend ließ sie wieder los und stieß sie die angehaltene Luft aus. As’mala konnte sich die Mühe sparen. Weiter als um ein paar mickrige Haaresbreiten würde sie die Stäbe ohne einen Hebel oder sonstwie geartete fremde Hilfe nicht bewegen können, um ihren schlanken, aber nicht dünnen Körper hindurchzuzwängen.
Verärgert blickte sie sich um. Ein Öffnungsmechanismus war nirgends zu sehen, genauso wie in der anderen Zelle. Ihre psimagische Fähigkeit des Schlösserknackens war dadurch nutzlos. Normalerweise konnten ihr Schlösser jeglicher Art nur wenige Atemzüge lang widerstehen – doch dazu musste As’mala sie zumindest
berühren
.
Zornig schlug sie mehrmals gegen die Stäbe, drehte sich abrupt wieder um und setzte sich an ihren angestammten Platz an der Wand der Kerkerzelle.
As’mala brauchte dringend einen Erfolg versprechenden Plan oder das Eingreifen von Väterchen Zufall.
Hätte sie doch fliehen sollen, als sich die Gelegenheit ergeben hatte?
Müßig, darüber nachzudenken. Ich hab’s nicht getan, weil das Mädchen mich gefesselt hat. Nun muss ich die Konsequenzen tragen. Es … war nicht falsch, was ich getan habe. Es wird einen anderen Moment geben. Ich komme hier raus!
In verzweifelter Wut kämpfte sie gegen die aufsteigenden Tränen an.
Ragedun, warum bist du nicht hier? Warum hast du mich verlassen, verdammt nochmal?
»Liri«, flüsterte As’mala, zog die Beine an und legte den Kopf auf die Knie. »Halte durch, mein Schatz. Mami wird sich etwas einfallen lassen!«
2.
Erinnerungen sind das Hintergrundrauschen des Jetzt
Nur-Eins stand an der Brüstung des großen Übungssaales. Es beobachtete die grauen, vierbeinigen Leiber, wie sie aufeinander losgingen, als wollten sie sich ernsthaft verletzen. Ein scharfer säuerlicher Geruch ging von ihnen aus, der Nur-Eins unangenehm in die Nase stieg.
Dies war aber nicht die Zeit, um sich über Sinnesempfindungen Gedanken zu machen. Dinge hatten sich zugetragen, die Nur-Eins' Welt durcheinander purzeln ließen. Hatte sich sein Leben bisher abgespielt, als würde es einem dicken, geradlinigen Strang folgen, so bekam dieser plötzlich einen absurden Winkel.
Schuld daran waren diese verwirrenden Erlebnisse mit Vertretern der Spezies
Neu-Zwei
, die sich selbst Menschen nannten. Ihre Verhaltensweise schien frei von jeglicher Logik und Sinn. Dies hatte zur Folge, dass sie meistens selbst nicht genau wussten, was sie wollten und wie sie sich zu verhalten hatten. Seltsamerweise hatten sie keine Probleme damit, dies zuzugeben.
Seit der ersten Begegnung mit den Neu-Zwei vor der Flucht aus der Heimat hatte Nur-Eins einiges dazu gelernt. Dieser Mond … Less … bot interessante Studienmöglichkeiten, die Nur-Eins zusehends interessierter wahrnahm. Es sprach nicht mit 0/A/11111 darüber, der in diesen Tagen sehr beschäftigt war und keine Zeit für Nur-Eins hatte. Der Anführer der Eins-Wir hätte wahrscheinlich ohnehin kein Verständnis dafür gehabt. Er setzte andere Prioritäten. Doch für Nur-Eins gab es sonst nichts zu tun.
Als besonders unsinnig empfand Nur-Eins die Sitte der Neu-Zwei, sich selbst individuelle Eigenbezeichnungen zu geben, die trotzdem nicht einzigartig waren. Weshalb verwendeten sie keine übersichtlichen und korrekten Typenbezeichnungen wie die Eins-Wir?
Was versprachen sich die Neu-Zwei davon? Weshalb klammerten sie sich so verbissen an diese Illusion einer nicht existenten Individualität?
Das Schlimmste aber war, dass jeder Kontakt mit ihnen Nur-Eins verwirrte. So unlogisch ihre Motive und Verhaltensweisen auch sein mochten, so überzeugt waren sie davon, richtig zu liegen. Beim überraschenden, unerklärlichen mentalen Kontakt mit dem Subjekt mit der Bezeichnung
Darren
war dies allerdings weniger ausgeprägt gewesen als bei diesem sogenannten
weiblichen
Vertreter der Neu-Zwei, den es vor kurzem getroffen hatte. Wie hatte die Eigenbezeichnung gelautet? As’mala? Noch einmal rief es sich die bizarre Kommunikation ins Gedächtnis, von der es nicht viel verstanden hatte und nicht sicher war, ob seine Erinnerung es nicht trog, weil die Gefühle die sachliche Logik übertönten.
»Du … bist
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