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gefesselt hatten. In einer einzigen mühevollen Bewegung schlug er die Decke zurück, schob die Beine heraus und ließ sich aus dem Bett gleiten. Unter seinen nackten Fußsohlen spürte Jaffi die spröden Holzbretter, von denen er sich schon manche Schiefer eingezogen hatte.
Als ob ihm jemand einen glühenden Stock an den Rücken hielte, stach der Schmerz durch die Wirbelsäule, während er sich vorsichtig erhob. Schwankend blieb er einen Moment lang stehen. Seine ungeraden Zahnreihen mahlten mit einem hässlichen Geräusch aufeinander. Jaffi ertrug die Qual ohne zu stöhnen oder gar zu klagen. Sorgfältig holte er Luft und als der Schmerz in ihm langsam verebbte, öffnete er die Tür seiner Kammer.
Jaffi trat hinaus in die Küche und wandte sich der Treppe zu. Vom oberen Stock hörte er nicht den geringsten Laut. Eine gespenstische Stille hatte sich im Haus ausgebreitet.
Er hob seinen linken Fuß und setzte ihn behutsam auf die erste Treppenstufe. Bedacht, kein Geräusch zu verursachen, stemmte er sich hoch und zog sein schwächeres rechtes Bein nach. Auf diese Weise erklomm er die Treppe, den Blick starr nach oben gerichtet. Mit jeder Stufe, die er höher stieg, sah Jaffi mehr vom Wohnzimmer. Zuerst nur die Decke mit dem einfachen Kerzenleuchter, dann die Bilder an der hinteren Wand, welche die ernsten Gesichter von Vaters Eltern zeigten, dann den Wohnzimmertisch und einen Stuhl. Der andere Stuhl stand am Fenster. Vater saß regungslos darauf, den Rücken Jaffi zugewandt.
Mutter lag am Boden. Das lange schwarze Haar klebte wie ein nasses Tuch an ihrem Gesicht. Eine weinrote Blutlache hatte sich rund um ihren Kopf ausgebreitet, auf der sich das helle Fenster mit der dunklen Silhouette des Vaters spiegelte. Der schwere Aschenbecher aus dunklem Nemriam lag neben ihr.
Noch immer war sein Inneres leer, so leer, wie nur etwas sein konnte, aus dem man restlos alles entfernt hatte, sodass sich nicht einmal die Luft hereinwagte, um die Leere zu füllen.
Jaffi bückte sich und ergriff den Aschenbecher. In kleinen vorsichtigen Schritten ging er um den reglosen Körper der Mutter herum, zu seinem nach wie vor unbeweglich auf dem Stuhl sitzenden Vater. Den Aschenbecher mit der linken Hand haltend, streckte er die rechte Hand nach dem Hals des Vaters aus.
In dem Moment, als er dessen warme Haut berührte, zuckte der helle Blitz durch Jaffis Bewusstsein, der die Todesvision ankündigte.
Er sieht durch das Schlafzimmerfenster hinaus auf die mächtigen Kakteenbäume, die von der aufgehenden Sonne bestrahlt werden. An den Rändern der Seitentriebe leuchten kleine rote Punkte. Langsam verdunkelt sich das Bild, erlischt vollkommen
.
Vaters aufgebrachte Stimme drang durch Jaffis Bewusstsein.
»Los! Mach schon! Zieh mir das Ding über den Schädel, wie ich es bei deiner Mutter gemacht habe, Krüppelkopf!«
Jaffi blinzelte, bis er wieder klar sehen konnte.
Vater hatte sich auf der Sitzfläche des Stuhls zu ihm gedreht. Sein Kopf war nur eine Armlänge entfernt. Jaffi blickte in Vaters gerötetes Gesicht, in dem sich eine Mischung aus Wut und Verzweiflung abzeichnete, während er wiederholt auf den Aschenbecher in Jaffis Hand schielte.
»Worauf wartest du? Mach schon!«
Langsam ließ Jaffi die Hand sinken. Der Aschenbecher aus Nemriam entglitt seinen Fingern und polterte zu Boden.
»Nicht einmal das kannst du, du verdammter Feigling!«, stieß Vater böse aus.
Aus beiden Mundwinkeln tropfte ihm der Speichel und rann über das stopplige Kinn.
»Du wirst an einem Tag sterben, wenn die Kakteenbäume Blüten tragen«, sagte Jaffi.
Grenzenlose Verblüffung breitete sich über Vaters Gesicht aus.
Jaffi drehte sich um. Ohne Mutter ein weiteres Mal anzublicken, ging er zur Treppe, stieg diese hinab und verließ sein Elternhaus, ohne dass er von seinem Vater einen einzigen Laut gehört hätte.
Einzig mit seinem Schlafhemd bekleidet, humpelte er dem schmalen Karrenpfad entlang, der durch den Kakteenwald des Nadeltals führte. Spätestens am nächsten Morgen würde er die große Händlerstraße erreichen, vermutete er. Es war der einzige Gedanke, der den Todseher auf seinem beschwerlichen Weg begleitete.
»Kannst du dich noch an den Tag erinnern, als ich dich gefunden habe?«
Serjaffs Blick ruckte hoch. Verblüfft starrte er seinen Mentor an. Konnte Torogard seine Gedanken lesen? Weshalb stellte er ausgerechnet jetzt diese Frage?
»Ihr … du hast mich auf der großen Händlerstraße aufgegriffen, als ich von Zuhause
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