SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
beim Stolpern das rechte Fußgelenk verdreht. Seither schwoll der Knöchel stetig an und schmerzte bei jedem Schritt, als würde er in glühende Kohlen getaucht.
In seinen Gedanken jagten sich wilde Bilder. Das entschlossene Gesicht der schönen Frau, Torogards leere Augen, die zum finalen Schlag erhobene Klinge aus Kreischerstahl in seiner Hand. Dazwischen blitzten immer wieder der sich langsam neigende Vorderlader und der furchtbare Anblick von Granis zerplatzendem Kopf auf.
Kein Schicksal!
, redete er sich ein, obwohl er genau wusste, dass es nicht der Wahrheit entsprach.
Es gibt kein Schicksal! Es gibt kein Schicksal!
Obwohl sich Jaffi nach Granis Tod geschworen hatte, nie mehr in den Lauf der Geschichte einzugreifen, hatte er nun genau dies vor. Er musste die schöne Frau befreien, damit er sie später nicht auf Torogards Geheiß umbringen konnte. Jaffi hatte keine Ahnung, was das für ihn bedeuten würde, doch er vermutete, dass ihn das Schicksal an ihrer Stelle holen würde.
Es gibt kein Schicksal. Es gibt kein
…
Nach einer fast unerträglich langen Zeit, in der er mechanisch ausgeschritten und den verdrehten, geschwollenen Fuß nachgezogen hatte, erreichte er endlich den Kerkerbereich.
Fantur, der rothaarige Wächter, saß auf seinem Stuhl, die schwarze Mütze halb über die Augen gezogen. Seine langen Beine ruhten auf der Tischplatte. Vom anderen Sicherheitsmann war nichts zu sehen.
»Ich muss sofort zur Gefangenen!«, stieß Jaffi atemlos aus.
Der Wächter schob die Mütze zwei Fingerbreit nach oben und sah den Todseher kritisch an.
»Hast du irgendwelche offiziellen Bescheinigungen?«
»Nein, habe ich nicht«, sagte Jaffi. »Weil ich keine benötige, Sicherheitsmann! Du tust, was ich sage, oder Torogard wird dich vierteilen lassen!«
Fantur brummte etwas Unverständliches. Nervtötend langsam ließ er seine Beine auf den Boden gleiten und erhob sich.
Das Blut pochte unangenehm laut in Jaffis Ohren, während er jede Bewegung des Wächters beobachtete. Nach wie vor traute er dem rothaarigen Hünen nicht über den Weg. Er konnte umgekehrt die Missbilligung förmlich riechen, die Fantur ihm gegenüber empfand.
Die Tür schwang auf. Sofort roch Jaffi den charakteristischen Gestank, der in der Zellenflucht herrschte. Er holte noch einmal tief Atem und betrat den Gang. Diesmal würde er sich weder von Geräuschen, noch von Maneluks Flehen irritieren lassen. Sein Auge war starr auf das Ende des Gangs gerichtet, wo der Eingang zur Kerkerzelle der schönen Frau lag. Fantur rief ihm etwas hinterher, doch Jaffi verstand ihn nicht. Wollte ihn nicht verstehen. Seine Gedanken drehten sich spiralartig um die Frau, Fanturs Todesvision und wie es möglich sein könnte, diesen schrecklichen Knoten zu lösen.
Keuchend betrat er den kurzen, gebogenen Gang, humpelte an der gespannten Kette vorbei und trat vor die Knochenstäbe, die ihre Zelle begrenzten. Sie saß wie beim letzten Mal mit dem Rücken an der Wand gelehnt am Boden. Sie schien ihn schon von weitem gehört zu haben. Der Blick ihrer blauen Augen durchbohrte ihn.
»Du … du …«, stotterte er.
Jaffi hatte keine Ahnung, was er ihr sagen sollte – trotz des langen Weges in den Kerker, auf dem er sich ein paar Worte hätte zurecht legen können.
Sie erhob sich mit der gleichen katzenhaften Geschmeidigkeit wie bei seinem letzten Besuch. »Mein Name ist As’mala«, sagte sie ernst, während sie langsam näher kam. Zwei Schritte hinter den Knochenstäben blieb sie stehen. »Ich hätte dich nicht angreifen dürfen, Jaffi. Ich spüre, dass du mir nicht feindlich gesinnt bist.«
As’mala
, dachte Jaffi.
»Ich bin dir nicht feindlich gesinnt«, bestätigte er steif.
Falls ich es schaffe, dich nicht umzubringen
, fügte er in Gedanken hinzu.
»Das freut mich«, antwortete sie. »Willst du mir helfen zu fliehen?«
»Du …« Jaffi schluckte schwer. »Du musst mir aber versprechen, mich nicht mehr zu berühren.«
»Ich wollte dir nicht wehtun, ich …«
»Du hast mir nicht wehgetan. Versprichst du es, As’mala?«
Die Frau nickte. »Ich werde dich nicht mehr berühren.«
»Auch nicht zufällig!«
»Ich verspreche es.«
Kurz blieb Jaffis Blick an As’malas Dekolleté kleben, wo sich unter ihrer samtenen Haut das Brustbein abzeichnete. Dort würde Fanturs Klinge sie treffen und stecken bleiben, bevor die Frau zum Gegenangriff starten würde.
Verwirrt schüttelte er den Kopf und humpelte zurück in den kurzen Gang. Vor der gespannten Kette blieb er
Weitere Kostenlose Bücher