SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
nicht lange ab. Der dunkelnde Abendhimmel färbte sich schwarz von Pfeilgeschossen. Scharfe Vielkantspitzen schlugen in Fleisch oder Eisen, Pfeilkapseln zerbarsten auf dem weißen Quarzgestein in purpurnen und grünen Flammenbällen, als die Stäube darin sich an der Luft entzündeten.
Von den Wehrgängen sprühte Schwefellauge nieder und nahm den Angreifern Sicht und Atem.
Steinschleudern, Katapulte und Kanonen feuerten ohne Unterlass.
Aber Aliandur war vorbereitet. Seine Truppen unterliefen schnell die Reichweite der thel-ryonischen Geschütze und warfen in fliegender Hast schwere Leitern an die blanken, bei Sonnenschein noch blendend glatten Wände. Auf den untersten Wehrrängen entbrannten die ersten Kämpfe von Angesicht zu Angesicht. Aliandurs Leute kämpften mit erbitterter Verbissenheit, und immer wieder flog ihr Schlachtruf durch die Reihen:
»Karem Dur! Erlösung!«
Die Mauerbezwinger fraßen sich mit unaufhaltsamer Gewalt durch das Eisen, dass die Funken nur so stoben und der Geruch von warmem Erz die Luft durchtränkte.
Das Haupttor der Stadt bebte schon: Ein ohrenbetäubendes Kreischen verriet, dass eine der Maschinen sich dort hindurch grub.
Und auch die psimagischen Einheiten fanden ihre Gegner. Seiya sah einen jungen Begabten mit einer Sektiererin ringen, die ein Loch in die Außenmauer schmelzen wollte – er ließ immer neues und neues Eisen dagegen wachsen, sodass es zwischen ihnen hin und her wucherte wie etwas Lebendiges.
Die thel-ryonische Verteidigung war gut, aber Aliandurs Leute waren vor allem eins: in der Überzahl. Hinzu kam, dass sie nicht nur um weltliches Wohlergehen kämpften – für sie ging es auch um unsterbliches Glück. Womöglich ließ sie das über sich hinauswachsen.
Als die erste Bohrerspitze durch das Haupttor drang, zogen sich auch die ersten Thel-Ryoner zurück. Tote lagen in den Wehrgängen, einige auch unten in den Straßen, Blut floss einen eisernen Sims hinunter.
Als die Sturmglocke tönte und den Kampf um die Mauern von Thel-Ryon verloren gab, zerfiel der Widerstand der Verteidiger in Augenblicken, und zu Seiyas Schrecken ungeordnet, in einem wirren Durcheinander, Rennen, Stoßen, Treten: Das war kein Rückzug. Das war Flucht.
Das Haupttor fiel.
Aliandur hatte den ersten Sieg errungen.
Die
Erlösung!
-Schreie hallten rau und trunken in den Straßen wieder.
Seiya stand und starrte, fassungslos. So schnell, so einfach konnte es doch nicht vorbei sein! Die Verteidiger von Thel-Ryon strömten an ihr vorüber, ein Wildfluss, der blind über einen geborstenen Damm toste.
Seiya stand und starrte. Ihre Gedanken hetzten im Kreis.
»Erlösung!«
gellte es ihr in den Ohren,
»Erlösung!«
»Hoheit!«, rief der Hauptmann. »Ihre Angst ist zu groß, was sollen wir tun?«
»Wir gehen nach Plan vor, so wie ich ihn Euch gestern auseinandergesetzt habe!«, gab sie zurück und begann zu laufen. »Ich verlasse mich auf Euch, Hauptmann! Haltet Aliandur lange genug auf! Den Rest erledige ich.«
Dort unten gab es noch eine Brücke, die Seiya sich aufgehoben hatte, für diesen Moment. Damit würde Aliandur schwer zu tun bekommen, denn es war der letzte freie Zugang zur Burg, den sie ursprünglich offengehalten hatten.
Seiya rannte zu den Überresten der Zugbrücke, konzentrierte sich und griff so plötzlich und fest nach ihrer Gabe, dass es fast weh tat. Dann war es da – das innere Feuer. Seiya meinte, ihr Atem selbst werde zu Feuerfunken.
Sie spreizte die Hände, kniete nieder, ein Lidschlag, zwei, dann brach das Feuer in tosender Gewalt aus ihr hervor und ließ die Brücke unten in Flammen aufgehen. Die Lohen schlugen bis zu ihr hinauf, und sie hörte die Schreie aus der Stadt. Sie fachte die Glut mit Gewalt noch weiter an, dass sie heller brannte, heißer; spürte, wie sich die Hitze von ihrem Herzen aus durch ihre Hände fraß und sie von innen mit versengte – sie verlangte zu viel von sich, das Blut rauschte in ihren Ohren, aber Seiya stachelte es weiter an, das Feuer, nahm keine Rücksicht auf die schwarzen Schauer, die vor ihren Augen niedergingen. Die Brücke musste niederbrennen, als Zeichen für Aliandur und auch das Volk Thel-Ryons, wozu Seiya in der Lage war. Nun erfuhr der Sektenführer, dass sie keine Angst mehr hatte, ihre Gabe einzusetzen – wie zur Passage. Sie hatte ihn schon einmal besiegt.
Das weiße Gestein begann aus sich heraus zu leuchten, rot und glühend wie schwelende Rosen.
Seiyas Gesicht war nass von Schweiß, das Haar hing ihr
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