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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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ließ mein Herr forschen in den Dörfern, die unweit des Wegs lagen, ob Esther vielleicht aus Not – welcher Not aber? – eingekehrt sei.
    Und die ausgesandt waren, kehrten abermals und meldeten: ›Niemand hat die Herrin gesehen.‹
    Vier Monate lang ließ er suchen, mein Herr, und ging opfern im Tempel.
    Da erschien sie ihm eines Nachts im Traum, Esther. Die ihn beruhigte, es ginge ihr gut.
    Ihr Gesicht aber glänzte im Traum. Und ihr Blick war Begeisterung. Die sprang über auf ihn, meinen Herrn.
    Erwachend aber dachte mein Herr, der Traum sei das letzte Wort Esthers, seiner toten Frau, und sei hergelangt nachts aus dem Land der Toten, zum Trost gesandt ihm, meinem Herrn, auf daß sein Vermissen gefaßt sei in Trost und er finde zur Ruhe.
    Da erinnerte sich mein Herr der Esther lebendig. Denn so tief begeistert, wie sie ihn angesehen im Traum, sah Esther zuweilen auch auf aus einem Gebet oder sah so auf, wenn man sie antraf beim Lesen Heiliger Schrift.
    Denn wenn mein Herr zuweilen ins Zimmer trat, Esther gebeugt fand über der Schrift, sah sie nicht sogleich auf, sondern bemerkte ihn nicht. Bis mein Herr vor ihr stand und seine Hand ausstreckte über die Zeichen.
    Da immer hob sie auf die Augen zu ihm. Und stets sah er glänzen dann ihr Gesicht. Und – schien ihm jetzt in Erinnerung – sah er’s nicht damals ebenso glänzen wie im Glanz des Gesichts seines Traums?
    Mein Herr aber, als die ersten Wochen vergangen waren und er nicht aufgab das Suchen nach meiner Herrin, ließ öfter mich zu sich rufen, die Neith.
    Und rief mich nicht ›Neith‹, sondern ›das Scherbenmädchen‹. Und verlangte also, das Scherbenmädchen solle kommen.
    Nämlich als sei ihm etwas zerbrochen.
    Denn so hatte Esther, die Herrin, viele Jahre zuvor mich als erste genannt. Weil ich sorgsam las jede Scherbe und ihr manches Zerbrochene heil wiedergab nach einiger Zeit. Und andere im Haus hörten den Namen, den sie mir gab. Und taten’s ihr nach und lachend riefen mich ebenso.
    Damals, es war Wochen nach Esthers Verschwinden, verlangte mein Herr aber – kaum war das Scherbenmädchen auf sein Geheiß ins Zimmer getreten –, daß ich vorläse aus Schriftrollen, die sich fanden im Zimmer der Herrin.
    Und ich tat, was er andere mich hatte lehren lassen. Denn ich las nicht, konnte nicht schreiben, als man mich jung noch gekauft hatte, im Haus meines Herrn zu dienen.
    Wenn ich aber, gerufen und eingetreten und über die Schriftrolle gebeugt, ihm zuzulesen begann – denn immer wieder geschah’s so in der Zeit nach dem Ausbleiben Esthers –, da sah ich sich abwenden meinen Herrn, bis er mit dem Rücken zu mir stand still.
    Denn er hatte sich abgewandt, als sei’s nicht das Scherbenmädchen, sondern sei Esther, die liest.
    Und so, dachte ich, suchte zu fügen mein Herr, was ihm zerbrochen war.
    Da kam, wohl ein Jahr bevor erkrankte mein Herr, ein reisender Händler zu ihm.
    Auch ich kannte den Händler vom Markt in Jerusalem, hatte ihm schon manches Garn abgekauft, mit dem ich wob für die Herrin, was immer sie wünschte.
    Und der reisende Händler, der gekommen war, sprach, er sei heraufgestiegen von Jericho und nicht lang in der Stadt. Und verlangte zu reden mit meinem Herrn.
    Da ging ich hin und fragte seinethalben. Und der Händler wurde zugelassen zu meinem Herrn.
    Kaum gab ihm mein Herr das Wort, behauptete der Händler, er habe – keine zwei Tage sei’s her – die Herrin gesehen, die Esther.
    Auch ihre Dienerin habe der Händler gesehen – und beide am Leben.
    Kapitel 91. Der Prophet
    Die Dienerin Esthers aber, so sprach der Händler zu meinem Herrn, habe er aus nächster Nähe gesehen.
    So daß der Händler nicht habe zu zweifeln vermocht, wer die sei. Denn auch die hatte wiederum ihn erkannt, den Händler, von dem auch sie früher des öfteren für ihre Herrin gekauft hatte.
    Und die Dienerin sei über der Begegnung erschrocken, er habe’s gesehen. Und zwar, als die Dienerin streifte den Händler und traf seinen Blick: Da!
    Der Händler aber sei in jenem Moment zurückgetreten, dicht an die Wand eines Hauses. Um nämlich vorüberzulassen einen großen Zug Menschen, der stoßend und drängend und lärmend hinabzog die abschüssige Gasse.
    Und da eben sei es geschehen: Da!
    Die Dienerin streift ihn.
    Wiedererkannt habe er sie, diese Dienerin, und hinter ihr, in der Menge, einen Moment lang: ›Das Gesicht einer Frau aus Jerusalem.‹
    Und auch die glaubte der Händler wiederzuerkennen. ›Denn ich dachte‹, sprach er,

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