Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Augen. Zum ersten Mal seit sechs Monaten schlief er die Nacht durch, ohne ein einziges Mal aufzuwachen.
    Um Mitternacht stieß irgendein Tier – wahrscheinlich nur ein wilder Hund, aber es klang wie eine Hyäne – in der Nähe von Curtis’ behelfsmäßiger Zelle ein langes, durchdringendes Heulen aus. Curtis klapperten die Zähne. Das Geräusch war so entsetzlich, wie er befürchtet hatte.
    Es dauerte unvorstellbar lange, aber dann schlief er ein.
     
    Als er aufwachte, zitterte er am ganzen Leib. Sogar die Füße zuckten und vollführten einen Stepptanz wie ein Junkie auf Entzug. Ich werde krank, ich muss zu einem beschissenen Arzt, mir tut alles weh, dachte er. Dann öffnete er die Augen, sah, wo er war, und stieß einen lauten, verzweifelten Schrei aus: »Ohhhh … nein! NEIN!«
    Aber es gab kein Entkommen. Wenigstens war es im Klohäuschen nicht mehr völlig düster. Durch die runden Löcher fiel Licht herein: der blasse Glanz der Morgenröte. Bald würde es heller werden. Und wärmer. Nicht mehr lange, und hier drin würde es so angenehm sein wie in einem Dampfdrucktopf.
    Grunwald kommt bestimmt zurück. Er hatte eine ganze Nacht, um sich zu besinnen. Bestimmt ist ihm klargeworden, wie verrückt das alles ist, und dann kommt er zurück. Und lässt mich raus.
    Curtis glaubte nicht daran. Er wollte es glauben, aber das genügte nicht.
    Er musste ganz dringend pinkeln, aber bei Gott, er würde nicht einfach in die Ecke pissen, obwohl hier alles voller Scheiße und Klopapier war. Er hatte das Gefühl, dass er so etwas Ekelhaftes einfach nicht tun durfte, weil er damit nur zugeben würde, dass er die Hoffnung aufgegeben hatte.
    Dabei habe ich die Hoffnung schon aufgegeben.
    Aber das stimmte nicht. Jedenfalls nicht ganz. Er mochte müde sein und den Mut verloren haben, ihm mochte alles wehtun – aber die Hoffnung hatte er noch nicht aufgegeben. Und seine Situation hatte auch ihr Gutes: Er verspürte nicht den Drang, sich den Finger in den Hals zu stecken, und er hatte während der ganzen letzten Nacht – die ihm wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen war – nicht ein einziges Mal seine Kopfhaut mit dem Kamm gegeißelt.
    Außerdem musste er gar nicht in die Ecke pinkeln. Er würde einfach mit einer Hand den Klodeckel anheben, mit der anderen zielen, und ab damit. Zog man die ungewöhnliche Seitenlage des Toilettenhäuschens in Betracht, würde das natürlich bedeuten, dass er horizontal statt schräg nach unten pinkeln musste. Aber er verspürte einen solchen Druck auf der Blase, dass er das mit links schaffen würde. Natürlich würden die letzten paar Tropfen auf dem Boden landen, aber …
    »Aber so ist das nun mal, wenn es ums Ganze geht«, sagte er, und zu seiner eigenen Überraschung stieß er ein heiseres Lachen aus. »Und was die Klobrille betrifft – der werd ich’s zeigen!«
    Er war kein Herkules, aber der halboffene Klodeckel und das Scharnier, mit dem dieser an der Bank befestigt war, waren aus Plastik. Deckel und Brille waren schwarz, das Scharnier weiß. Dieses ganze Kabuff bestand aus billigem, vorgefertigtem Kunststoff, da musste man kein großkotziger Baulöwe sein, um das zu sehen. Und im Unterschied zu den Wänden und der Tür waren der Deckel und das Scharnier nicht mit Blech verkleidet. Wahrscheinlich würde es ihm keine Schwierigkeiten bereiten, den Deckel abzureißen – und sei’s nur, um seiner Wut Luft zu machen.
    Curtis packte den Deckel und hob ihn an; er wollte die Brille direkt darunter zu fassen bekommen und zur Seite ziehen. Stattdessen hielt er inne und schaute durch das runde Loch in den Tank dahinter. Er begriff nicht sofort, was er da sah.
    Ein dünner Saum Tageslicht.
    Erst war er nur verblüfft, doch ganz langsam regte sich Hoffnung in ihm – noch sehr zaghaft, eher wie ein Schweißfilm, der sich auf seiner stinkenden Haut ausbreitete. War das vielleicht nur ein Streifen Leuchtfarbe, was er da sah? Oder gar eine optische Täuschung? Damit schien er es getroffen zu haben, weil das Licht allmählich verblasste. Schwach... schwächer … am …
    Aber dann, bevor es ganz erlosch, wurde es wieder heller, ein Lichtstreifen, der so strahlend hell war, dass er ihn noch nachglimmen sah, wenn er die Augen schloss.
    Das ist Sonnenlicht. Der Boden der Toilette – zumindest das, was der Boden gewesen war, bevor Grunwald das Häuschen umgeworfen hatte – zeigt in Richtung Osten, wo gerade die Sonne aufgegangen ist.
    Und wenn das Licht verblasste?
    »Verschwindet die Sonne hinter einer

Weitere Kostenlose Bücher