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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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aber beinah. Beinah.

4
Kein sehr netter Mann.
    Eines Nachmittags, nicht lange nachdem der Juli in den August übergegangen war, teilte Deke Hollis ihr mit, sie habe Gesellschaft auf der Insel. Er sagte immer Insel, nicht Key.
    Deke war ein wettergegerbter Fünfziger, vielleicht auch Siebziger. Er war groß und hager und trug einen verbeulten alten Strohhut, der wie eine umgekehrte Suppenschüssel aussah.Von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends betätigte er die Zugbrücke zwischen Vermillion und dem Festland. Das heißt, an Werktagen. Die Wochenenden übernahm »der Knabe« (besagter Knabe war um die dreißig). Manchmal, wenn Em auf die Zugbrücke zulief und den Knaben statt Deke in dem alten Korbstuhl vor dem Wärterhaus sitzen und Maxim oder Popular Mechanics statt der New York Times lesen sah, wunderte sie sich, dass es schon wieder Samstag war.
    Am gegenwärtigen Nachmittag aber saß Deke dort. Der Kanal zwischen Vermillion und dem Festland – den Deke als Schlond bezeichnete (Schlund, nahm sie an) – lag verlassen und dunkel unter einem dunklen Himmel da.Auf dem Brückengeländer zum Golf hin stand ein Reiher, der entweder meditierte oder nach Fischen spähte.
    »Gesellschaft?«, sagte Em. »Ich hab keine Gesellschaft.«
    »So hab ich’s nicht gemeint. Pickering ist wieder da. Haus 366. Hat eine seiner ›Nichten‹ dabei.« Bei Nichten verdrehte Deke die Augen, die von einem so verblichenen Blau waren, dass sie fast farblos wirkten.
    »Ich hab niemanden gesehen«, sagte Em.
    »Klar«, stimmte er zu. »Er ist vor einer Stunde in seinem dicken roten Mercedes rübergekommen, während Sie wahrscheinlich noch Ihre Turnlatschen zugebunden haben.« Er beugte sich über die Zeitung vor; sie knisterte unter seinem flachen Bauch. Em sah, dass er das Kreuzworträtsel etwa halb gelöst hatte. »Jeden Sommer eine andere Nichte. Immer junge Dinger.« Er hielt kurz inne. »Manchmal zwei Nichten, eine im August und eine im September.«
    »Ich kenn ihn nicht«, sagte Em. »Und ich hab auch keinen roten Mercedes gesehen.« Ebenso wenig wusste sie, welches Haus die Nummer 366 hatte. Sie nahm zwar die Häuser wahr, aber nur selten die Briefkästen. Außer bei der Nummer 219 natürlich. Das war der mit den geschnitzten Vögeln obendrauf. (Das Haus dahinter hieß natürlich Birdland.)
    »Umso besser für Sie«, sagte Deke. Statt die Augen zu verdrehen, verzog er jetzt den Mund, als hätte er einen üblen Geschmack auf der Zunge. »Er bringt sie im Mercedes her, und zurück nach St. Petersburg geht’s dann in seinem Boot. Fette weiße Jacht. Die Play Pen . Ist heute Morgen hier durchgeschippert.« Wieder zog er die Mundwinkel herab. In der Ferne grollte Donner. »Die Nichten kriegen also das Haus gezeigt, dann eine nette kleine Tour die Küste rauf, und dann sehen wir Pickering erst im Januar wieder, wenn es in Chicagoland kalt wird.«
    Em war so, als hätte sie bei ihrem Morgenlauf ein vertäutes weißes Motorboot gesehen, war sich aber nicht sicher.
    »In ein, zwei Tagen – vielleicht einer Woche – schickt er dann zwei Burschen rüber, und einer fährt den Mercedes dahin zurück, wo er ihn immer unterstellt. Irgendwo bei dem Privatflugplatz in Naples, nehm ich an.«
    »Der muss ja ziemlich reich sein«, sagte Em. Es war die längste Unterhaltung, die sie je mit Deke geführt hatte, aber interessanterweise fing sie dabei trotzdem an, auf der Stelle zu joggen. Teils weil sie nicht steif werden wollte, vor allem aber weil ihr Körper sie zu laufen drängte.
    »Reich wie Dagobert Duck, aber ich hab den Eindruck, dass Pickering sein Geld im Gegensatz zu dem ausgibt .Wahrscheinlich auf eine Weise, die Onkel Dagobert sich nie hätte träumen lassen. Hat es in der Computerbranche gescheffelt, wie man hört.« Das Augenrollen. »Tun sie das nicht alle?«
    »Scheint so«, sagte sie und joggte weiterhin auf der Stelle. Der Donner räusperte sich, diesmal mit etwas mehr Nachdruck.
    »Ich weiß, Sie wollen los, aber ich erzähl Ihnen das alles aus gutem Grund«, sagte Deke. Er faltete seine Zeitung zusammen, legte sie neben den alten Korbstuhl und stellte seinen Kaffeebecher als Briefbeschwerer darauf ab. »Ich verbreite normalerweise keinen Klatsch über die Leute auf der Insel – viele davon sind reich, und ich würde mich nicht lange halten, wenn ich es täte -, aber ich mag Sie, Emmy. Sie sind zurückhaltend, aber kein bisschen hochnäsig. Und Ihren Vater mag ich auch. Wir haben schon manches Glas zusammen

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