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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Perspektive kann sie damit leben, nur Janice Irgendwas-Unaussprechliches zu sein, eine aus der Stadt und Bruce’ momentane Freundin. Buddy mit seinem schmalen Gesicht und seiner schwindenden Fähigkeit, sie unerwartet zum Lachen zu bringen. Er hat sie nie von oben herab behandelt.Wahrscheinlich weiß er, dass sie ihn schon beim ersten Mal stehenlassen würde.
    Von hier aus kann sie direkt durch das Haus zum Pool und zu den Ankleidezimmern hinten gehen, doch vorher wendet sie sich nach links, um noch einmal die Aussicht auf die viele Meilen entfernte, im blauen Nachmittag schwebende Stadt zu bewundern. Sie hat noch Zeit zu denken, das ist vielleicht die Stadt, in der ich eines Tages zu Hause sein werde, dann entzündet sich vor ihren Augen ein riesiger Funken, als hätte ein hinter den Kulissen verborgener Gott ein Plastikfeuerzeug angeknipst.
    Sie zuckt vor der Helligkeit zurück, die zunächst wie ein einzelner breiter Blitz hochschießt. Unmittelbar darauf lodert der gesamte südliche Himmel in einem stummen, grellen Rot auf. Ein formloses blutiges Gleißen löscht die Häuser aus. Dann sind sie einen Augenblick lang wieder da, doch nur geisterhaft, wie durch eine Linse betrachtet. Eine Sekunde oder eine Zehntelsekunde danach sind sie für immer verschwunden, und das Rot wuchert zu einer kochenden Gestalt, die man aus Tausenden von Wochenschauen kennt.
    Alles still, ganz still.
    Bruce’ Mutter tritt heraus und stellt sich neben sie, wobei sie die Hand schützend über die Augen hält. Sie trägt ein neues blaues Kleid. Ein Teekleid. Schulter an Schulter starren sie nach Süden auf den sich ausbreitenden karmesinroten Pilz, der das Blau des Himmels verschlingt. An den Rändern steigt Rauch auf – im Sonnenlicht dunkelviolett – und wird wieder aufgesogen. Die Farbe des Feuerballs ist zu intensiv, Janice wird ihr Augenlicht verlieren, aber sie kann den Blick nicht abwenden. In breiten, warmen Bächen läuft ihr das Wasser übers Gesicht, aber sie kann den Blick nicht abwenden.
    »Was soll das denn?«, sagt Bruce’ Mutter. »Wenn das ein Werbegag ist, dann ist er wirklich geschmacklos!«
    »Es ist eine Bombe«, sagt Janice. Ihre Stimme scheint von woanders zu kommen. Eine Direktübertragung aus Hartford vielleicht. Jetzt brechen aus dem roten Pilz gewaltige schwarze Blasen und lassen hässliche Formen erscheinen – eine Katze, einen Hund, Bobo den Dämonenclown -, deren Fratzen im hohen Himmel über dem Schmelzofen New York hängen. »Eine Atombombe. Und zwar eine verdammt große. Nicht so ein kleines Rucksackmodell oder …«
    Wusch! Hitze zieht nach oben und unten über ihre Wange, Tränen sprühen aus ihren Augen, und ihr Kopf wackelt. Bruce’ Mama hat ihr eine Ohrfeige verpasst. Und keine zarte.
    »Darüber macht man keine Witze!«, herrscht sie Janice an. »So was ist nicht komisch!«
    Inzwischen sind auch andere Leute in den Hof getreten, aber sie sind kaum mehr als Schatten. Entweder hat die Leuchtkraft des Feuerballs Janice die Sehkraft geraubt, oder die Wolke hat die Sonne verdeckt.Vielleicht beides.
    »Das ist … wirklich … geschmacklos!« Mit jedem Wort wird die Stimme höher und lauter. Geschmacklos ist bereits ein Kreischen.
    »Bestimmt irgendein Spezialeffekt«, sagt jemand, »muss so sein, sonst würden wir doch was hören …«
    In diesem Moment hat das Dröhnen sie erreicht. Wie ein Felsbrocken, der durch einen endlosen Steinkanal schießt. Das Glas an der Südseite des Hauses erbebt, und aus den Bäumen spritzen in wirbelnden Scharen die Vögel hoch. Das Dröhnen füllt alles aus. Und es hört nicht auf. Wie ein ewiger Überschallknall. Janice sieht Bruce’ Grandma, die sich langsam auf dem Weg zur Mehrfachgarage bewegt und dabei die Hände über die Ohren hält. Sie geht mit gesenktem Kopf und gekrümmtem Rücken und streckt den Hintern hinaus wie eine heimatlose alte Vettel am Anfang eines langen Flüchtlingszugs. Irgendetwas hängt hinten an ihrem Kleid herunter und schwingt hin und her. Janice ist nicht überrascht, dass es (wie sie mit ihrer verbliebenen Sehkraft bemerkt), Grandmas Hörgerät ist.
    »Ich will aufwachen«, lässt sich hinter Janice ein Mann vernehmen. Er spricht quengelig und nervig. »Ich will aufwachen. Irgendwann ist es genug.«
    Die leuchtende Wolke hat jetzt ihre größte Ausdehnung erreicht und wabert triumphierend dort, wo noch neunzig Sekunden zuvor New York war, ein dunkelroter und violetter Giftpilz, der einfach ein Loch durch diesen Nachmittag und alle

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