Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst
Augenmerk auf eine physische Ursache– den dramatisch gestiegenen Anteil von Fetten in der Ernährung des amerikanischen Durchschnittsbürgers im Vergleich zur Ernährung seiner Großelterngeneration, in der man noch weit mehr Vollgetreide und Gemüse gegessen hatte. Ein Faktor mutete überaus wissenschaftlich an: Cholesterin. Eine gewaltige Öffentlichkeitskampagne wurde in Gang gebracht, um die Bevölkerung zu einer Ernährungsumstellung zu bewegen: weniger rotes Fleisch, weniger Eier und andere Cholesterinquellen. Die Kampagne war wohl nicht gerade ein Riesenerfolg, denn die Amerikaner nehmen nach wie vor sehr fettreiche Nahrung zu sich. Cholesterin aber wurde zu einem mit Angst besetzten Wort (unter Missachtung der Tatsache, dass Ihr Körper 80Prozent des im Blutstrom vorhandenen Cholesterins selbst produziert und dieses Steroid für den Aufbau der Zellmembranen vollkommen unverzichtbar ist). Im Umfeld der solchermaßen in die Welt gesetzten Zielvorgabe, » schlechte « zugunsten der » guten « Blutfette zu reduzieren, ist eine Milliarden Dollar schwere Industrie entstanden.
Von vorneherein wurde das Gehirn als möglicher Verursacher der Herzinfarkte nicht ernstlich in Betracht gezogen. Allein aufgrund der Tatsache, dass kein Modell dafür existierte, wie das Gehirn in der Lage sein sollte, Botschaften an die Herzzellen zu übermitteln, blieb es außen vor. Und der Ausdruck Stress fand damals kaum irgendwo überhaupt Erwähnung.
Doch es traf sich, dass manche Fachleute diese dem Cholesterin zugeschriebene Rolle von Anfang an anzweifelten: Bei Autopsien an Opfern des Koreakrieges, darauf wiesen diese Leute hin, habe man, obgleich die Betreffenden kaum über 20Jahre alt waren, Mengen an Plaques (Ablagerungen) in den Herzkranzgefäßen vorgefunden, die für die Entstehung eines Herzinfarkts ohne Weiteres ausgereicht hätten. Weshalb kam es also nicht schon viel früher zum Infarkt? Niemand vermochte diese Frage zu beantworten.
Die Auswertung des umfangreichen Datenmaterials aus der Framingham-Herzstudie erbrachte Hinweise, dass Männer zwischen 20 und 30Jahren, die sich mit den seelischen Problemen ihrer Kindheit auseinandergesetzt hatten, gegen einen frühen Herzinfarkt offenbar besser geschützt waren als diejenigen, die solch eine Auseinandersetzung versäumt hatten beziehungsweise ihr aus dem Weg gegangen waren. Doch dies war nicht die Zeit für solche » weichen « Erklärungen.
Damals hätte niemand geglaubt, dass man einen Herzinfarkt herbeidenken könnte. Also beschloss man, auf das Cholesterin als Bösewicht zu setzen. Es schien für diese Rolle die besten Voraussetzungen mitzubringen. (Auf die Probleme, mit denen die Cholesterin-Hypothese sich konfrontiert sieht, wollen wir hier nicht im Einzelnen eingehen. Doch das Cholesterin, das Sie mit der Nahrung aufnehmen, so viel sei hier immerhin erwähnt, führt nicht notwendigerweise zu einem hohen Cholesterinspiegel im Blut– das physiologische Bild in diesem Punkt ist ausgesprochen vielschichtig und wird von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer noch komplexer.)
Auch als letzten Endes eine psychologische Argumentation weithin Anklang fand, bei der man zwischen einer Persönlichkeit vom Typ A und einer vom Typ B unterschied, wurde das Gehirn nicht eigens in Betracht gezogen. Menschen vom Typ A, so hieß es, seien angespannt, fordernd, Perfektionisten, neigten zu Wut und Ungeduld und seien kontrollsüchtig. Infolgedessen, so die Theorie weiter, seien Menschen vom Typ A anfälliger für einen Herzinfarkt als diejenigen vom Typ B, die entspannt, tolerant, ausgeglichen, geduldig und eher bereit seien, Fehler zu akzeptieren. Beim Typ A schien die Wahrscheinlichkeit, dass die betreffende Person Stress erzeugt, ungleich höher. (Damals kursierte ein Bonmot über einen Chef vom Typ A: Er sei keiner von der Sorte, die einen Herzinfarkt erleiden– er gehöre zu denen, die dafür sorgen, dass andere einen bekommen.) Ausfindig zu machen oder gar durch einen Test zu ermitteln, wer dem Typ A und wer dem Typ B zuzurechnen war, erwies sich allerdings, wie sich schnell herausstellte, als praktisch unmöglich. Und so wird heute in der Medizin statt von » Persönlichkeit « von einem Verhalten nach Typ A oder Typ B gesprochen.
Nachdem die Themen Stress und Verhalten auf der Bildfläche erschienen waren, so könnte man meinen, müsste fortan das Gehirn eigentlich eine wichtige Rolle gespielt haben. Hat es aber nicht. Nach wie vor gab es kein Modell, das hätte erklären können,
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