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Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst

Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst

Titel: Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nymphenburger Verlag
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seiner damaligen Tätigkeit am Boston Children’s Hospital arbeitete er daran, ein bestimmtes Gen zu isolieren. Und zwar dasjenige Gen, das die Produktion eines das Alzheimer-Syndrom hervorrufenden Hirntoxins steuert, des Beta-Amyloid-Proteins. Bei diesem Eiweiß, kurz A-beta-Peptid genannt, handelt es sich um jene im Gehirn sich ansammelnde und sich dort ablagernde klebrige Substanz, die mit der Funktionsstörung von Neuronen und ihrem anschließenden Versagen in Zusammenhang steht.
    Mit unermüdlichem Eifer hat Rudy damals alle nur verfügbaren wissenschaftlichen Abhandlungen über Alzheimer und das toxisch wirkende Amyloid studiert. Dieses kann, bei der Alzheimer-Krankheit, in Form von Beta-Amyloid vorkommen oder, bei BSE -verwandten Erkrankungen (zur Erinnerung: BSE bezeichnet das landläufig als » Rinderwahn « bekannte Krankheitsbild), in Form von Prionen-Amyloid.
    Eines Tages las Rudy eine Abhandlung, aus der ersichtlich wurde, wie das Gehirn eines Alzheimer-Patienten mit solch einer Ansammlung von Beta-Amyloid umgegangen war– und zwar tat es das in dem Bestreben, den für das Kurzzeitgedächtnis zuständigen Teil des Gehirns, den im Schläfenlappen (Temporallappen) gelegenen und von der Erkrankung betroffenen Hippocampus, umzuarrangieren.
    Es war also tatsächlich so, dass das Gehirn versuchen konnte, einen an jenem Bereich, in dem der verheerende Schaden entstanden war, vorbeiführenden Weg zu finden. Und Rudys Auffassung von jener Erkrankung, die er damals– in der vierten Etage der Klinik in seinem lauschigen Labor von der Größe einer kleinen Vorratskammer hockend– Tag und Nacht studiert hatte, hat sich aufgrund dieser Einsicht komplett verändert.
    Von 1985 bis 1988 konzentrierte Rudy sich darauf, das Gen ausfindig zu machen, welches bewirkt, dass Beta-Amyloid sich in großen Mengen im Gehirn von Alzheimer-Patienten ansammelt. Seite an Seite mit seiner Kollegin Rachel Neve arbeitete er nun jeden Tag daran, während im Hintergrund die passende Musik spielte. In erster Linie die Musik von Keith Jarrett, dem wohl besten Jazz-Pianisten, der je gelebt hat.
    Ganz besonders gefiel Rudy an Keith Jarretts Konzerten diese bravouröse Art der Improvisation. Jarrett hat dafür seinerzeit einen eigenen Begriff geprägt: » extemporieren « . Anders ausgedrückt, seine Improvisationen entstehen ad hoc, vollkommen spontan. Nach Rudys Empfinden brachte Keith Jarrett in seiner Musik sehr genau zum Ausdruck, wie das Gehirn im Alltag funktioniert: indem es, aus dem Erfahrungsfundus eines ganzen Lebens schöpfend, im gegebenen Moment kreativen Impulsen Raum lässt, die in die eine oder in die andere Richtung gehen können. Das ist gleichbedeutend mit einer jeden Augenblick sich selbst erneuernden Weisheit, mit einer zu lebensprühender Frische findenden Erinnerung. Als Rudy damals das erste Alzheimer-Gen entdeckte, das Amyloidvorläuferprotein (Amyloidpräkursorprotein; abgekürzt: APP ), war vor allem Keith Jarrett seine Inspirationsquelle. Der Fairness halber sollte das hier nicht unerwähnt bleiben.
    Vor diesem Hintergrund erschien 1986 jene Abhandlung, die Alzheimer-Patienten Hoffnung auf eine mögliche Regeneration des Hirngewebes gab. An einem selbst für Bostoner Verhältnisse außergewöhnlich kalten Wintertag saß Rudy also in der dritten Etage der Harvard Medical School im offenen Magazin der Bibliothek und atmete den vertrauten Geruch muffigen alten Papiers. Manche dieser wissenschaftlichen Abhandlungen hatten schon jahrzehntelang kein Tageslicht mehr gesehen.
    Zu den Neuerscheinungen über Alzheimer zählte ein von Jim Geddes und seinen Kollegen verfasster Artikel, der im Wissenschaftsjournal Science abgedruckt worden war. Er trug den faszinierenden Titel: » Die Plastizität der neuronalen Vernetzung im Hippocampus bei Alzheimer-Erkrankungen « ( » Plasticity of hippocampal circuitry in Alzheimer’s disease « ). Nachdem Rudy den Text überflogen hatte, spurtete er zum Geldwechselautomaten, um sich ein bisschen Kleingeld für den Münzkopierer zu beschaffen. (Der Luxus digitalisiert abrufbarer Wissenschaftsjournale war noch Zukunftsmusik.) Nachdem er sich, gemeinsam mit Rachel, die Abhandlung gründlich zu Gemüte geführt hatte, schauten sie einander eine gefühlte Unendlichkeit lang mit großen Augen an. Irgendwann platzte es aus ihnen heraus: » Ist das nicht fantastisch!? « Das war der Moment, in dem sie Zugang zum Geheimnis eines mit Selbstheilungskräften ausgestatteten Gehirns erhielten.
    Im

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