Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst
Millimeter starken Schicht aus Gehirnzellen ausgekleidet, der gesamte übrige Hohlraum hingegen mit Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit gefüllt.
Schon der bloße Gedanke an eine derartige Erkrankung ist erschreckend. Lorber jedoch machte unbeirrt weiter und beschrieb mehr als 600weitere Fälle dieser Art. Er ordnete die Patienten in vier Kategorien ein, je nachdem, wie viel Flüssigkeit im Gehirn beziehungsweise in der Schädelhöhle vorhanden war. In der Kategorie mit den extremsten Fällen (zu ihr zählten lediglich zehn Prozent der untersuchten Personen) handelte es sich um Menschen, deren Schädelhöhle zu 95Prozent mit Flüssigkeit gefüllt war. Die eine Hälfte von ihnen war in ihrer geistigen Entwicklung stark beeinträchtigt, bei der anderen Hälfte betrug der IQ dagegen über 100Punkte.
Die Skeptiker, wen wundert’s, bliesen zum Angriff: Lorber, so erklärten einige Zweifler, müsse aus den per Computertomografie gewonnenen Bildern die falschen Schlüsse gezogen haben. Er versicherte ihnen jedoch, seine Belege hielten jeder Nachprüfung stand. Andere argumentierten, er habe es versäumt, das Gewicht der verbleibenden Hirnmasse zu erfassen. Worauf Lorber trocken erwiderte: » Ob der Mathematikstudent ein Gehirn hat, das 50Gramm oder 150Gramm wiegt, kann ich in der Tat nicht sagen. Außer Frage steht jedoch, dass es die eineinhalb Kilogramm Normalgewicht nicht einmal annähernd erreicht. « Um eine Größenordnung von circa 50Gramm bis 150Gramm oder 175Gramm könnte es sich, mit anderen Worten, hier also gehandelt haben. Aber das sind eben nicht im Entferntesten eineinhalb Kilogramm. Ihm besser gesinnte Neurologen erklärten, diese Befunde seien ein eindeutiger Beweis, wie redundant, ja überflüssig das Gehirn im Grunde sei– viele Funktionen kämen mehrfach vor und überschnitten sich. Andere dagegen wollten das nicht als Erklärung gelten lassen. » Redundanz ist eine faule Ausrede, um sich die Auseinandersetzung mit etwas, was Sie nicht verstehen, zu ersparen « , lautete ihr Kommentar.
Bis auf den heutigen Tag ist und bleibt das ganze Phänomen eine geheimnisumwitterte Angelegenheit, allerdings sollten wir es im Verlauf der hier anstehenden Überlegungen im Sinn behalten. Könnte dies ein extremes Beispiel für die dem Geist innewohnende Kraft sein, das Gehirn– selbst ein in dramatischem Umfang verkleinertes Gehirn– Anweisungen ausführen zu lassen?
Unsere Überlegungen sollten allerdings nicht allein auf Hirnschäden beschränkt bleiben. In einer jüngeren Studie, die ein Beispiel für die Entstehung neuer neuronaler Verknüpfungen gibt, haben der Neurowissenschaftler Michael Merzenich und seine Kollegen an der University of California in San Francisco mit sieben Äffchen gearbeitet. Ihnen hatte man beigebracht, mithilfe der Finger Futter zu finden. Der Versuch war so angeordnet, dass nach Bananen schmeckende Trockenfutterkügelchen auf dem Boden von kleinen, in einem Plastikbrett angeordneten Fächern, den Futterspendern, lagen. Einige der Futterspender waren breit und flach, andere waren eng und tief. Wenn ein Affe versuchte, an das Futter zu gelangen, hatte er naturgemäß bei den breiten, flachen Fächern mehr Erfolg, während der entsprechende Versuch bei den engen und tiefen Fächern häufiger fehlschlug. Im Lauf der Zeit entwickelten jedoch alle Affen große Geschicklichkeit und ab einem bestimmten Zeitpunkt gelang es ihnen bei jedem Versuch, sich ein Kügelchen zu angeln, egal wie weit sie dafür ihre kleinen Finger ausstrecken mussten.
In der Hoffnung, zeigen zu können, dass die Erfahrung, neue Fertigkeiten erlernt zu haben, im Gehirn der Affen tatsächlich Veränderungen hervorgerufen haben würde, machte das Team Computertomografien von einem speziellen Hirnareal, das als die somatosensorische Rinde (der somatosensorische Kortex) bezeichnet wird und unter anderem die Bewegung der Finger steuert. Und sie hatten Erfolg: Offensichtlich stellte dieses Hirnareal neue Verknüpfungen zu anderen Arealen her, um künftig die Chancen zu erhöhen, mehr Futter zu finden. Indem Hirnareale beginnen, auf eine neue Art zu interagieren, erklärte Merzenich, werden neue Verknüpfungen hergestellt und entsteht eine neue Vernetzung. Bei dieser Form von Neuroplastizität gilt: » Neuronen, die gleichzeitig aktiv sind, vernetzen sich miteinander. « Wenn wir uns im Alltag gezielt vornehmen, neue Dinge zu erlernen oder vertraute Dinge auf eine neue Weise zu erledigen (indem wir beispielsweise für den
Weitere Kostenlose Bücher