Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst
um ein verstorbenes Elefantenbaby. Dort verweilen sie und kehren sogar im folgenden Jahr an Orte zurück, an denen sich solch ein Todesfall zugetragen hat. Dann drängen sie sich nahe um die Mutter, die ihr Kalb verloren hat. Allem Anschein nach können Elefanten sich, sofern denn Anteilnahme außerhalb unserer menschlichen Definition des Wortes eine Bedeutung hat, ineinander einfühlen.
Nach allem, was wir wissen, nimmt ein winziger Kolibri, der als Zugvogel Tausende Kilometer von Mexiko bis nach Minnesota zurücklegt, wahrscheinlich wahr, welche Flugroute er einschlägt. Dabei bezieht er sich unter anderem auf sichtbare Wegmarkierungen, den Lauf der Sterne und sogar auf das Magnetfeld der Erde.
Dennoch schreiben wir Selbstgewahrsein allein uns selbst zu. (Dieser Besitzerstolz könnte allerdings ins Wanken geraten. Schimpft man mit einem Hund, weil er auf einen Teppich gepinkelt hat, sieht es ganz danach aus, als sei er beschämt. Das wäre eine selbstgewahre Reaktion.) Jedenfalls sind wir gewahr, dass wir gewahr sind. Mit anderen Worten: Selbstbewusstheit geht im Gehirn, auf der Stufe des Menschen, über schlichtes Lernen und Erinnern hinaus.
Wie das Bewusstsein uns in die Lage versetzen kann, zwischen der Hirnaktivität und uns selbst zu unterscheiden, dafür liefert uns eine reduktionistische Neurowissenschaft keine Erklärung. In seiner Forschung gibt sich Rudy wie ein Reduktionist, da sein Forschungsfeld in erster Linie die Alzheimer-Krankheit und die mit ihr verknüpften Gene sind. Eine reduktionistische Neurowissenschaft erklärt uns jedoch nicht, wer tatsächlich die Gedanken und Empfindungen hat. Zwischen Gewahrsein und Selbstgewahrsein besteht eine Kluft. » Bei mir wurde Alzheimer diagnostiziert « , so lautet eine aufgrund von Gewahrsein getroffene Aussage. Wer nicht gewahr ist, würde nicht bemerken, dass mit seiner Erinnerung etwas schiefläuft. » Ich finde es ganz schlimm und es versetzt mich in Angst und Schrecken, dass ich Alzheimer habe « , sagt man aus einer Selbstgewahrseins-Perspektive. Auf der faktischen Seite betrifft die Erkrankung also alle drei Zustände– den unbewussten Zustand, Gewahrsein und Selbstgewahrsein–, womit allerdings noch gar nichts darüber gesagt ist, wie wir mit diesen drei Zuständen umgehen. Das Gehirn kümmert sich, so oder so, lediglich um seine Aufgabe. Erst der Geist versetzt uns in die Lage, damit umzugehen.
Dieses » Gewahrsein, dass ich gewahr bin « wird selbstverständlich auch durch das Gehirn ermöglicht. Wir nehmen keineswegs für uns in Anspruch, sagen zu können, wo Gewahrsein und Selbstgewahrsein im Rahmen einer Hirnkartierung zu lokalisieren sind, um es in der Terminologie eines Reduktionisten auszudrücken. Wahrscheinlich lässt sich beides nicht auf einen bestimmten Bereich eingrenzen. Niemand hat dieses Rätsel bislang gelöst. Während das Gehirn Gefühle und Gedanken hervorbringt, mit denen Sie sich identifizieren, baut das Superhirn auf Ihre Fähigkeit, losgelöst von den Gedanken und Empfindungen, die das Gehirn liefert, Beobachter, Zeuge zu sein.
Kann ein Tobsüchtiger keinen Abstand zu sich selbst gewinnen und kann er nicht beobachten, was passiert, wenn er einen Wutausbruch hat, dann gerät seine Wut außer Kontrolle. Solange nicht ein gewisses Maß an Distanz, an Gelöstheit mit ins Spiel kommt, wird ihm nicht bewusst, wo die Wut herrührt oder was er mit ihr anfangen kann. Mittels moderner bildgebender Verfahren kann man sehen, wie in der Großhirnrinde, je nachdem, inwieweit jemand seine Emotionen unter Kontrolle hat, bestimmte Zentren eine besonders hohe Aktivität aufweisen oder diese nachlässt. Bei vielen, vielleicht bei den meisten Menschen löst der Gedanke an eine Distanz zu den eigenen Emotionen allerdings eine beängstigend wirkende Vorstellung von einem sterilen, faden, leidenschaftslosen Dasein aus.
Doch Emotionen wandeln sich in Abhängigkeit von Ihrem Befinden.
Unbewusstheit: Ein Zustand, in dem die Emotionen die Zügel in der Hand halten. Reflexartig tauchen sie auf und nehmen dann einfach ihren Lauf. Hormone werden freigesetzt, was allzu häufig zu einer Stressreaktion führt. Wer sich ihr überlässt, bei dem bewirken unbewusste Emotionen ein Ungleichgewicht im Gehirn. Die höheren Entscheidungszentren sind geschwächt. Dann gibt es niemanden, der Regungen von Angst und Wut kontrolliert. Das kann destruktives Verhalten zur Folge haben. Emotionale Gewohnheiten prägen sich zu fest vorgegebenen Nervenbahnen
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