Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst
Großteil dieser Aktivität ein Rätsel bleibt.)
Sobald im Gehirn neue Erfahrungen registriert wurden, verdaut Ihr Ich diese. Und Sie sind das Ich, dem neue Dinge widerfahren, wodurch der bereits gespeicherte » Daten « -Vorrat an Freude und Leid, an Angst und Verlangen, der sich von klein auf bei Ihnen angesammelt hat, noch weiter anwächst. Zu wissen, dass die fortwährende Umgestaltung des Gehirns stets eine Auswirkung hat, ist wichtig. Mag Ihr Ich Sie auch in der Illusion von Konstanz wiegen.
Gleich nach der Geburt ihrer Tochter Lyla fassten Rudy und seine Frau Dora einen Entschluss: Niemals würden sie das Kind in seinem ersten Lebensjahr auf sich allein gestellt, ohne dass jemand es umsorgt, weinen lassen. Andere Eltern kritisierten diese Entscheidung. Auf diese Weise werde das Baby zu sehr verwöhnt, meinten sie, und Lyla werde Dora und Rudy in zwei schlaflose Zombies verwandeln. Dessen ungeachtet hielten sie, was sie sich gelobt hatten. Im Kleinkindalter wird bei Lyla, wie bei jedem von uns, das Fundament, die entscheidende Grundlage für das neuronale Netzwerk gelegt. Der Prozess spielt sich zwar im Verborgenen ab, nichtsdestoweniger prägt sich hier eine neue Weltsicht aus. Und Jahre später, wann immer sich eine neue Erfahrung von Freude oder Leid einstellt, wird sie, bevor sie ihren Platz im Gedächtnis einnimmt, mit den alten Erfahrungen verglichen werden.
Bei Lyla, das wünschten sich Dora und Rudy, sollten Freude, Sicherheit, außerdem das Empfinden, angenommen und willkommen zu sein, jenes Fundament bilden. Für Missbehagen und das Gefühl, verlassen zu sein und zurückgewiesen zu werden, sollte da kein Platz sein. Dies in die Tat umzusetzen erfordert selbstverständlich einen höheren persönlichen Einsatz, als würde man sich um das Baby lediglich dann kümmern, wenn es schreit. Aber für das Baby sind die Eltern in dieser Altersstufe die ganze Welt. Und so würde Lyla in späteren Jahren einen tief verwurzelten Grund haben, die Welt als einen Ort anzusehen, an dem sie willkommen ist und umhegt wird. Die Welt ist nichts fest Vorgegebenes, sondern sie existiert so, wie wir sie erfahren und sie in unsere Sicht der Dinge integrieren. Der Einwand, Lyla werde hier unzureichend auf die raue Wirklichkeit vorbereitet, hatte daher keine Gültigkeit. Wie jede/r von uns wird sie der Welt so gegenübertreten, wie es dem in ihrem Gehirn aufgebauten Bild entspricht. (Mittlerweile hat Lyla das Krabbelalter erreicht. Sie ist quietschfidel und die Liebe, die sie empfangen durfte, strahlt von ihr aus.)
Für diese Funktion– alle erdenklichen Erfahrungen integrieren zu können– ist das Ich unbedingt notwendig, wenngleich es sehr anfällig dafür ist, zu weit zu gehen. Extreme Selbstbezogenheit wird üblicherweise Egoismus genannt. Doch um den geht es hier gar nicht unbedingt. Denn jeder von uns steckt, was das Ich anbelangt, in einer paradoxen Situation. Ohne ein Ich kann man nicht funktionieren. Wenn man andererseits aus allem eine persönliche Geschichte macht, kann das zu einem Ich-Wahn ausarten. » Ich, mich, mein « haben dann Vorrang vor jeder anderen Erwägung. Statt einen eigenen Standpunkt und ausgeprägte persönliche Werte zu haben (die gute Seite des Ichs), läuft beim Egoisten am Ende alles nur darauf hinaus, die eigenen Vorlieben und Vorurteile zu verteidigen, bloß weil es die seinen sind (die negative Seite des Ichs). Das Ich gebärdet sich, als sei es das Selbst.
Das wahre Selbst ist jedoch das Gewahrsein. Und mit jedem Erfahrungsaspekt, den Sie ausschließen, indem Sie sagen: » Das bin nicht ich « oder: » Darüber will ich nicht nachdenken « oder: » Mit mir hat das nichts zu tun « , schließen Sie von Ihrem Gewahrsein etwas aus. So bauen Sie eine vom Ich dominierte Vorstellungswelt auf, anstatt sich für die unendlich großen Möglichkeiten der Realitätsschöpfung zu öffnen.
Der Preis für solch eine Engstirnigkeit ist eine reduzierte oder unausgeglichene Hirnaktivität. Anhand von Computertomografien kann man das sehen. Neue Erfahrungen sind gleichbedeutend mit neuen neuronalen Vernetzungen, mit einer Umgestaltung des Gehirns. Auf diese Weise hält man es gesund. Wer sich sagt: Ich zeige meine Emotionen nicht oder: Ich mag nicht zu viel denken, legt dadurch hingegen einzelne Bereiche des Gehirns lahm. Das Ich nimmt solche Rationalisierungen vor, um das persönliche Gewahrsein zu verengen, wodurch wiederum die Hirnaktivität eingeschränkt wird.
Denken Sie daran, wie manche Männer
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