Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst
zurückführen, die uns unermüdlich nötigen, auf Angstregungen zu achten, als hinge von ihnen unser Überleben ab. Ein Zahnarztbesuch wird Sie keineswegs das Leben kosten. Und so schalten sich in Fällen wie diesem zusätzlich andere Bereiche des Gehirns mit ein, damit Sie nicht mit einem großen Satz aus dem Behandlungsstuhl springen und fluchtartig die Zahnarztpraxis verlassen. Die instinktiven Hirnfunktionen verstehen sich ausschließlich darauf, Ihnen unvermittelt den entsprechenden Impuls zu geben. Ihn beurteilen können sie nicht.
Ein mit den instinktiven Hirnfunktionen geschlossener Burgfriede sorgt, wie Sie feststellen werden, wenn Sie auf sich selbst schauen, für Unbehagen. Das Bemühen, den instinktiven Regungen einfach keine Beachtung zu schenken, macht Sie unruhig, unsicher und besorgt.
Abb. 2: Das dreiteilige Gehirn
Der älteste Teil im dreiteiligen Modell des Gehirns ist das– auf unser Überleben ausgerichtete– » Reptiliengehirn « , der Hirnstamm. Unter anderem beherbergt es die Steuerungszentren für Vitalfunktionen wie das Atmen, das Schlucken und den Herzschlag. Ferner ruft es den Hunger, den Sexualtrieb und die Kampf-oder-Flucht-Reaktion hervor.
Im nächsten Schritt der Evolution kam das limbische System hinzu. Es beherbergt das » emotionale « Gehirn und das Kurzzeitgedächtnis. Auf Angst und Verlangen basierende Emotionen haben sich zu Hilfskräften für die Triebe des Reptiliengehirns entwickelt.
Der Neokortex, das für den Intellekt, die Entscheidungsfindung und die höhere Vernunft zuständige Hirnareal, ist die jüngste Entwicklung. Während unser Reptiliengehirn und das limbische System uns dazu veranlassen, auf triebhafte Weise das Überlebensnotwendige zu tun, steht der Neokortex für die Intelligenz, die wir benötigen, um unsere Ziele zu verwirklichen. Zugleich erlegt er unseren Emotionen und instinktiven Regungen oder Impulsen Einschränkungen auf. Außerdem ist der Neokortex– ein für das Superhirn besonders wichtiger Aspekt– das Zentrum des Selbstgewahrseins, des freien Willens und der freien Entscheidung. So können wir gleichzeitig der Benutzer und , potenziell , auch der Meister unseres Gehirns sein.
Rudy erinnert sich an eine Zeit zu Beginn seines Studiums, kurz nachdem sein Vater einem Herzinfarkt erlegen war. Immerzu hielt er damals im Tagebuch seine Gedanken fest, um seine übermächtigen Gefühle von Angst und seine im Teenageralter tonangebenden Begierden in Worte zu fassen. Mit ansehen zu müssen, wie wenig es ihm möglich war, die hormonell bedingten Anwandlungen, denen er im Gefolge der Geschlechtsreife ausgesetzt war, einfach auf sich beruhen zu lassen, machte Rudy ratlos. (M.F.K.Fisher, die bekannte amerikanische Autorin zu Themen der Genuss-, Koch- und Tafelkultur, gibt in einem ihrer Bücher die Anekdote von einem Mann wieder, der– schier untröstlich über den plötzlichen Tod seiner Frau– in Kalifornien den Pacific Coast Highway rauf und runter fuhr, an jeder Imbissstube am Straßenrand haltmachte und sich ein Steak bestellte.)
Auf der Verstandesebene war Rudy durchaus klar, dass sein von Angst und Unbehagen getriebenes Verlangen, im ersten Studienjahr mit seinen Freunden eine Party nach der anderen zu besuchen, einem irrationalen Geltungsdrang, einem Bedürfnis nach äußerer Bestätigung und sozialer Anerkennung seitens seiner Altersgenossen entsprang. Aber der Drang, Partys zu feiern, obgleich er eigentlich über seinen Büchern hätte hocken müssen, um zu lernen, war für ihn unwiderstehlich. So entpuppte sich das erste Studienjahr als ein scheinbar niemals enden wollender Kampf in dem Bestreben, irgendwie die Disziplin aufzubringen, die man braucht, um sich tatsächlich in die Bibliothek zu setzen und zu lernen. Die meisten dieser Auseinandersetzungen konnten die instinktiven Hirnfunktionen allerdings zu ihren Gunsten entscheiden.
Die Angst behielt die Oberhand, bis die Dinge 1979, während seines Abschlussjahres, einen Kulminationspunkt erreichten. Und zwar am Silvesterabend auf dem Times Square.
Rudy steckte mittendrin im Gedränge. Die Anspannung,
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