Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst
Zahlen ihm einflüsterten. Infolgedessen hatte er es tatsächlich fertiggebracht, an jenem Tag mehr Profit zu machen als je zuvor.
Man könnte meinen, hier handele es sich um eine Geschichte über den Triumph des reinen Verstandes. In den Dreißigerjahren begann man jedoch mit der Regulierung der Börsengeschäfte an der Wall Street. Die Zeiten der großen Beutezüge, in denen ein paar reiche Investoren es in der Hand hatten, die Aktienkurse nach Belieben zu manipulieren, waren fürs Erste vorbei. Livermore fiel es schwer, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Fortan verliefen seine Börsengeschäfte ungleichmäßig. Erst war er entmutigt, dann deprimiert. 1940 zog er sich in den Toilettenraum seines Klubs zurück und schoss sich mit seinem Revolver eine Kugel in den Kopf. Was mit seinen Millionen geschehen ist, wurde nie enthüllt.
Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen fällt Ihrem Verstand leicht. Der Wissensdurst des menschlichen Geistes ist unstillbar. Wir führen unser Leben in zwei parallelen Spuren. In der einen Spur erleben wir alles, was uns widerfährt, während wir in der anderen Spur das so Erlebte hinterfragen. Die Großhirnrinde (der zerebrale Kortex), der zuletzt hinzugekommene Teil unseres Gehirns, kümmert sich um Denkprozesse in all ihren Aspekten– Entscheidungen treffen, beurteilen, nachdenken und vergleichen inbegriffen. Für einen Neurologen ist der Kortex der rätselhafteste Teil des Gehirns. Wie haben Neuronen zu denken gelernt und, noch rätselhafter, wie haben sie gelernt, sich über das Denken Gedanken zu machen?
Denn genau das tun Sie jeden Tag. Ihnen kommt ein Gedanke, anschließend besinnen Sie sich darauf, was der Gedanke eigentlich besagt. Das klingt sehr abstrakt, lassen Sie uns darum aus der Perspektive des Gehirns kurz skizzieren, was damit gemeint ist:
Instinktiv: » Ich bin hungrig. «
Emotional: » Hm, Schokoladencremetorte wäre jetzt ganz nach meinem Geschmack. «
Rational: » Kann ich mir derart viele Kalorien überhaupt leisten? «
In der rationalen Phase haben Sie endlos viele Entscheidungsmöglichkeiten. Beispielsweise könnten Sie sich fragen: » Wer macht eine gute Schokoladencremetorte? « Oder: » Ist Schokoladencremetorte wirklich das, was ich will? « Oder: » Heißt das vielleicht, ich bin schwanger? « Was immer Sie denken wollen, Sie können es denken, selbst die abwegigsten Sachen ( » Empfinden Kakaofrüchte eigentlich Schmerz, wenn sie vom Baum gepflückt werden? « ), die originellsten ( » Ich würde gern ein Kinderbuch über einen Jungen schreiben, der einer sprechenden Schokoladencremetorte begegnet. « ) und alles nur Erdenkliche dazwischen.
Wir Menschen sind stolz auf unseren Verstand, so stolz, dass wir den niederen Tieren bis vor Kurzem jegliche Art von Intelligenz abgesprochen haben. Das ändert sich. Nur wenige Vogelarten überwintern etwa auf der eingeschneiten Nordkante des Grand Canyon. Einige, die das tun, verbringen die Herbstmonate damit, Samen zu sammeln und sie in der Erde zu vergraben. Aus Kiefernzapfen holen sie die Kerne heraus und vergraben diese einzeln im Boden, allem Anschein nach wahllos, bis sie Hunderte von Kiefernkernen im Erdreich untergebracht haben. Zur Zeit der Winterstürme sind diese Areale dann mit Schnee bedeckt. Aus genauen Beobachtungen weiß man inzwischen, dass die Vögel an jede Stelle zurückkehren, an der ein Kiefernkern im Erdboden ruht, und mit dem Schnabel den unterm Schnee verborgenen Kiefernkern hervorholen. Jeder Vogel sucht nur diejenigen Stellen auf, an denen er selbst Futter vergraben hat, ohne sich aufs Geratewohl aus den Vorräten eines anderen Vogels zu bedienen.
Beispiele für Tierintelligenz gibt es in unüberschaubar großer Zahl. Trotzdem bleiben wir bei unserer Gewissheit, der Verstand sei ein ausschließlich menschliches Merkmal. Die Gehirnstruktur bestätigt das, da, gemessen an der Größe unseres– im Vergleich zum Körpergewicht sehr großen– Gehirns, ein unverhältnismäßig großer Teil auf das Großhirn entfällt. (Aus der Tatsache, dass der Neokortex, die » neue Rinde « , 90Prozent Ihrer Hirnrinde ausmacht, lässt sich ersehen, dass Sie sehr viel denken und entscheiden, während das große Gehirn eines Delfins zu etwa 60Prozent im Dienst des Hörens steht– nachvollziehbar bei einem Lebewesen, das durch ein Unterwassersonar geleitet wird.) Ungeachtet der verbreiteten Vorstellung, niedere Regungen wie Sex, Hunger, Wut und Angst seien unsere Triebkräfte, nimmt das
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