Super Nova (German Edition)
neugierig in die Augen. »Eine Geburt in dem Sinne gibt es bei uns gar nicht und das ist auch gut. So etwas soll sehr schmerzhaft sein, das muss man keiner Frau mehr antun. Die Föten gedeihen in einer Art Brutstätte, in Wärmebehältern, die mit einem fruchtwasserähnl i chen Inhalt gefüllt sind. Die Föten werden bestens versorgt, bis die Lunge selbstständig aktiv wird. Das ist meistens ab der 38. Woche der Fall. Dann werden die Babys entnommen und an Ammen übergeben. Oder die Rava nehmen sich selbst dem Kind an«, fügte er leise hinzu und ich wusste, dass sich um Nova keine Amme kümmern würde. Niemals würden die Rava das zulassen.
Shiva strich mir tröstend über die Schultern. »So schwer es für dich auch sein mag: Nova wird gut versorgt werden! Sie wird alles bekommen, was sie zum Leben braucht. Ihre Sehfähigkeit bildet sich erst in ein paar Wochen aus – frühestens um die Weihnachtszeit wird Nova ihre Umgebung erkennen können, wenn man nach euren Maßstäben rechnet. Und das Erste, was sie dann erblicken wird, werden die Rava sein. Für sie wird es Normalität. Sie wird nicht diese Abscheu und den Ekel vor den Rava empfinden, wie es bei dir ist. Sie wird auch keine Angst vor ihnen haben! Ihr Menschen der Erde empfindet den Anblick der Rava als befremdlich, weil es das für euch nun mal ist. Wärst du aber unter ihnen aufgewachsen, würdest du sie akzeptieren wie alles andere auch. Ich kann dir versichern, dass Nova niemals Furcht vor den Rava verspüren wird, wie du es tust. Sie werden ihr auch bestimmt nicht wehtun, das musst du mir glauben! Für Nova werden die Rava zu einer Art Familie, sie wird nichts anderes kennenlernen.«
Shiva meinte es tröstend und doch erfüllten seine Worte mein Herz mit blankem Entsetzen. Nova würde diese großen, gummiart i gen Figuren als menschlich betrachten, sogar als ihresgleichen .
Würde mein Baby auch derart gefühlskalt werden oder wurde man dort bereits so den Brutstätten entnommen?
Fragen über Fragen; und die Antworten darauf wollte ich gar nicht mehr wissen. Nur eine Sehnsucht erblühte in meinem Herzen: die Sehnsucht nach meinem Kind!
Um die Weihnachtszeit wird sie sehen können – und wieder musste ich weinen. Weihnachten war nicht mehr weit.
Es wäre besser gewesen, ich hätte mit diesem Thema nie bego n nen. Ich erhoffte mir von dem Gespräch Beruhigung und erntete das Gegenteil.
Auch in den folgenden Tagen besserte sich mein Zustand nicht. So, wie die Blätter am Baum starben, das Leben aus ihnen wich, sie sich verfärbten und als Laub tot zur Erde fielen, so fühlte ich mich in jenem Oktober. Ich saß in unserem Schlafzimmer in einem weißen Schaukelstuhl vor dem Fenster und blickte starr in den Garten. Der Herbst zog übers Land – trist und grau –, er brachte die Kälte mit sich. Es herrschte ein peitschender Wind, der den Sommer vertrieb und der blühenden Natur den nahenden Tod schenkte. Alles starb – so, wie etwas in mir. Aber jeder Grashalm, jede Blume und jeder Baum wird im Frühjahr neu geboren.
Frühjahr … da würde Nova schon ein halbes Jahr alt sein, ihren ersten Brei löffeln … Oh nein, ich vergaß – sie aßen dort ja nicht, wo sie jetzt war. Sie würde nie einen süßen Brei bekommen. Keinen Bananenbrei, keinen Grießbrei, gar nichts …
› Wir nehmen alle Nährstoffe zweimal am Tag in ihrer reinsten Form zu uns , mehr braucht der Körper nicht‹ , erklangen Shivas Worte in mir und Tränen liefen über meine Wangen. Es waren Tränen, die ich schon lange nicht mehr stoppen konnte. Ich ließ sie laufen und suchte nach Abwechslung, etwas, das mich auf andere Gedanken bringen konnte, nach irgendeiner Aufgabe. Unser Haus blitzte bereits vor Sauberkeit. Was sollte ich nur tun?
Shiva werkelte unten im Schuppen, um einen weiteren Tran s formator herzustellen. Ich schlich mich auf den alten Dachboden, denn da gab es noch einiges zu tun. Verstaubte alte Schränke und zahlreiche abgehängte andere Gegenstände warteten dort auf mich. Ich putzte die Vitrinen und mistete den Inhalt gleich aus. In eine leere Truhe sortierte ich die brauchbaren Dinge ein, den Rest warf ich einfach aus dem kleinen Fenster der Gaube, hinunter in den Garten. Allmählich arbeitete ich mich vor und stieß in einer Ecke auf einen weiteren abgedeckten Gegenstand. Ich zog die schmutzige Decke weg und in dem Moment, als meine Augen sahen, was sich hier verbarg, hörte ich mein Herz zerspringen. Nun brach es endgü l tig. Vor mir stand eine
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