Superdaddy: Roman (German Edition)
sich verbrannt.«
»Verbrennung dritten Grades, Universitätskrankenhaus, Überlebenswahrscheinlichkeit vier Prozent? Sag mal, kommst du irgendwann mal von deinem Gluckenthron runter?«
Es war sinnlos. Charlotte war zweckrational, wie Max Weber gesagt hätte. Trotzdem versuchte ich es noch mal.
»Charlotte, hattest du überhaupt jemals so eine Verbrennung?«
»Nein, darauf bist schließlich du abonniert! Dein Körper besteht ja praktisch ausschließlich aus Brandblasen. Aber du weißt schon, dass das einzige Gegenmittel eiskaltes Wasser ist? Und nicht etwa ein Papa, der sich in die Arbeitslosigkeit verabschiedet?«
Warum redete ich überhaupt mit ihr? Sie hatte kein schlechtes Gewissen. Im Gegenteil: Sie machte mir ein schlechtes Gewissen. Und ihre Überzeugung war rein physikalisch so stark, dass sich keine anderslautende Meinung im selben Raum aufhalten konnte. Ich fragte mich sofort, ob sie nicht doch recht hatte, und ärgerte mich im selben Moment darüber und unterdrückte auch jeden Gedanken an Versöhnungssex. Für dieses Gespräch hatte ich mir etwas anderes vorgenommen.
»Charlotte, es geht so nicht weiter.«
»Hä?«
Sie verzog das Gesicht, als hätte ich gerade gesagt, Bad Oldesloe läge in Afrika. Oder noch besser: Afrika läge in Bad Oldesloe.
»Ich will eine Paartherapie.«
»Ach ja?« Sie blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Damit der bärtige Therapeut mit zwanzig Zusatzausbildungen sagt: Frau Kirschbaum, der Auftritt Ihres Mannes vor dreißig Leuten ist wichtiger als Ihre bevorstehende Professur? Und Kinder unter siebzehn darf man keine Sekunde allein zu Hause lassen?«
Ich schloss die Augen. Ich würde jetzt nicht sagen, dass es mindestens sechzig Leute waren. Wenn nicht sogar achtzig. Umso schlimmer übrigens. Ich wünschte mich weit weg in unseren letzten Amrum-Urlaub. Kniepsand. Nordseesonne. Eine kleine Kegelrobbe flüchtet vor uns. Wir küssen uns auf den Mund.
»Ich will eine Paartherapie, Charlotte. Ich möchte es.«
In dem Moment geschah ein Wunder. Sie wurde weich. Sie guckte mich an wie eine Kegelrobbe. Sie schmiegte sich an mich. Sie konnte das. Übergangslos. Sie war schon eine seltsame Frau. Selten seltsam. Sie legte ihren Kopf auf meine Brust, ich roch ihre Haare, ihre wundervollen dicken, langen, blonden Rapunzelhaare, die sie als Intellektuelle gar nicht haben durfte.
»Ach Philippikus, das ist ja ganz süß. Aber glaubst du denn wirklich, irgend so ein dusseliger Therapeut könnte uns irgendwas sagen, was wir beiden Paarprofis noch nicht wüssten?«
Gesprungene Schallplatte, betete ich mir vor.
»Ich möchte es, Charlotte.« Stille. »Ich mache das sonst nicht mehr mit.«
Fehler. Alarm. Zu spät.
»Ach, du drohst mir? Womit denn?«
Sie richtete sich auf. Sie war innerlich längst weg, und ich merkte, dass ich es JETZT wissen wollte und nicht erst in der ersten Therapiesitzung.
»Hast du mit Bernhard geschlafen?«
Sie guckte mich verständnislos an. Dann lachte sie auf.
»Du bist betrunken, stimmt’s?«, gluckste sie.
Irgendwie schien sie diesen Gedanken sogar zu mögen. Und natürlich war ich betrunken, so stockbetrunken, dass ich auf Bernhard eifersüchtig war. Sie sah mich immer noch an, erst amüsiert, aber dann wurde ihr Blick so rätselhaft, dass ich ihn auch nach sechzehn Jahren nicht zu lesen vermochte. Vielleicht dachte sie sich weit weg, nach Amrum. Oder New York. Oder noch weiter. Ihre Stimme klang jetzt, als ob sie nicht von ihr käme.
»Ich werde mir jetzt die Zähne putzen, Philipp.« Sie strich sich die Haare hinters linke Ohr. »Und dann ins Bett gehen. Und schlafen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
Sie ging ins Badezimmer. Ich saß aufrecht im Bett und dachte nichts, während ich das Brummen von Charlottes elektrischer Zahnbürste hörte. Ich schloss die Augen und wünschte, ich bekäme für diesen Tag einen zweiten Versuch. Dann nahm ich mein Handy und tippte: Ja, es ist etwas passiert. Und du musst mich mal wieder retten. Oder rausschmeißen. Bitte verzeih mir. Philipp.
Und drückte auf Senden .
3
Fünf Tage später. Ganz vorsichtig weckte ich Lasse. Ich drückte leise die Türklinke herunter und schlich mich an sein Bett, als ob es darauf ankäme, ihn nicht zu wecken, bevor ich ihn weckte. Vielleicht immer noch eine Nachwirkung aus der Zeit, als ich im Krankenhaus lag, fünf Jahre alt, und die Schwester morgens um sechs ins Zimmer kam, »Aufstehen!« brüllte, das Deckenlicht anschaltete und mir unvermittelt das
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