Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
Vom Netzwerk:
Interessante war sein Outfit: Vollglatze, orangefarbene Bonobrille und Ziegenbart mit eingeflochtener Perle. Sein Auftritt war ein Desaster, ein paar müde Lacher, das war’s. Bis auf den Schluss, der war nicht schlecht. Drei Minuten. Als Nächstes sah ich ihn im Fernsehen, im Quatsch Comedy Club , wo ich seit sechzehn Jahren hinwollte, mit genau diesen drei Minuten. Ich sah ihn in Genial daneben . Er war immer noch nicht besser. Aber Dieter Nuhr und Michael Mittermeier nickten ihm freundlich zu. Letzte Woche zappte ich mich nachts durch die Kanäle und sah plötzlich einen Mann mit Vollglatze, Bonobrille und Ziegenbart eine Showtreppe herunterkommen. Er stand im Konfettiregen und schaffte es kaum, das kreischende Publikum zu beruhigen. Ich fragte mich noch: Was ist das bloß für eine Deko? Die Show kenne ich gar nicht! Bis ich das Logo entdeckte, in Kiez-Glühbirnen-Blink-Ästhetik: D IE A XEL- H UBI- S HOW! Das war der Moment gewesen, in dem ich aufs Klo hatte rennen müssen, um mich zu übergeben. So wie jetzt. Der Dornfelder aus Delmenhorst.
    Halb vier. Charlotte. Endlich. Mir war übel. Sie machte das Licht an. Sie war da, und alles war sie, Charlotte Kirschbaum. So wie im Seminar alle auf sie gestarrt hatten, als sie vom Verschwinden des Subjekts bei Niklas Luhmann geredet hatte. Sie sagte Hi, ohne mich anzugucken, und schleuderte ihre Tasche auf den Boden. Und während sie auch ihren Pullover auszog und auf den Boden warf, fing sie unvermittelt an zu reden. Alles Dinge, die ich an ihr geliebt hatte und noch immer liebte, selbst jetzt, wo ich eigentlich die Frage hören wollte, wie es mir ging.
    »Diese Ossi-Väter sind wirklich das Größte. ›Meine Tochter war schon mit zwei sauber. Und wenn sie kleckert, kriegt sie eins auf die Finger!‹ Ich muss richtig aufpassen, dass das Ganze nicht zu satirisch wird. Vor allem, weil Bernhard rausgefunden hat, dass in der Berufungskommission ein Original-Ossi sitzt. Nicht dass der sich diskriminiert fühlt! Aber weißt du, was das Beste ist, das hab ich dir noch gar nicht erzählt, Philipp …« Sie sprang zu mir aufs Sofa, kam meinem Gesicht ganz nah und blickte mich zum ersten Mal an. Sie musste sehr viel Bier getrunken haben. »Weißt du, wen sie noch eingeladen haben?«
    Sie blickte mir erwartungsvoll in die Augen. Immer noch trug sie eine asymmetrische Brille, wie vor sechzehn Jahren, nur war sie nicht mehr orange gesprenkelt, sondern japanisch-schwarz. Sie bemerkte meine Erstarrung nicht.
    »Als Nummer zwei auf der Berufungsliste? Peperkorn! Einen MANN! Der Typ ist schon über fünfzig und irrt immer noch auf dem Markt herum. Ich meine, wie dumm muss man sein, sich als Mann den Schwerpunkt Familiensoziologie auszusuchen? Da kannst du ja genauso gut als Hete Schwulenforschung betreiben! Oder als Weißer Afro-American Studies. Sophie hat mal erzählt, wie sie in Washington in der Berufungskommission saß und …«
    »Charlotte, Lasse hat sich vorhin die Hand verbrannt.«
    Sie hielt inne.
    »Wie … wann … Lasse?«
    »Er wollte alleine die Piccolinis aus dem Ofen holen und ist dabei voll ans Blech gekommen.«
    »Scheiße!«
    Zehn lange Sekunden guckte sie mich nur an, wobei ihre Gedanken wohl schon nach drei Sekunden woanders hinwanderten, zur Berufungskommission, zu den Ossi-Vätern, zu Niklas Luhmann.
    »Äh, aber du«, sie tippte mir auf die Stirn, »warst doch bei diesem Auftritt, wo war das noch …«
    Sie merkte sich meine Auftrittsorte nicht. Punkt acht für die Paartherapie.
    »Sie haben dich nicht erreicht. Sie haben mich erreicht, und ich habe den Auftritt abgebrochen.«
    »Du hast WAS?«
    Ich sah sie nur an. Sie schüttelte fassungslos den Kopf, als sie begriff.
    »Äh, Philipp? Willst du in Zukunft dein Geld mit Prospekteausteilen verdienen? 0,1 Cent pro Prospekt? DRRRRING, Wärrbung!?«
    Beinah hätte ich lachen müssen über ihren türkischen Prospektverteiler. Stattdessen schüttelte ich den Kopf. Jetzt begann der nutzlose Teil des Gesprächs. Das Argumentieren. Das konnten wir beide zu gut, als dass etwas dabei herauskommen könnte. Oder jemals herausgekommen wäre. Punkt neun für die Paartherapie. Wir konnten miteinander schlafen, fernsehen, über Systemtheorie diskutieren, Klamotten einkaufen, Squash spielen und nach Amrum fahren. Aber wir konnten nicht miteinander streiten. Es endete immer in einem Desaster. Und trotzdem konnten wir es nicht lassen. Das war noch rätselhafter.
    »Ich sagte ja bereits, Lasse hatte totale Schmerzen. Er hat

Weitere Kostenlose Bücher