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Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
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Teller auch nur zur Hälfte zu leeren.
    Warum war gerade das talentierteste meiner Kinder zugleich das schildkrötigste? Charlotte und ich waren beide schnell, in allem, was wir taten. Ist doch klar, sagte Max dazu. Wenn du in ein Abteil einsteigst, setzt du dich auf den Platz, der noch frei ist.
    Das sagte sich so. Aber gleich würde es noch schlimmer werden: wenn Lasse sich die Zähne putzen und, Höhepunkt der Zeitlupe, seine Schuhe anziehen würde. Es gab außer der Axel-Hubi-Show in meinem Leben nichts Quälenderes, als danebenzustehen und mit anzusehen, wie Lasse sich die Schnürsenkel band. Er konnte es, und man sollte niemals etwas für ein Kind tun, was es schon selber konnte. Aber ließ sich wirklich von Können sprechen, bei diesem Tempo? Was tat er dabei – Tagträumen? Meditieren? Schlafen? Es war zwanzig vor acht, und Joshua wartete unten seit mindestens zehn Minuten.
    Luna zog laut den Rotz in ihrer Nase hoch und streute sich deutlich zu viel Zimtzucker über den Brei, der sofort eine braunweiß glitzernde Kruste bildete. Um mich zu provozieren, natürlich, und vielleicht auch, um den Widerspruch zu kaschieren, dass Rosa Luxemburg junior Grießbrei aß, ein Gericht für Achtjährige. Ihrem Habitus angemessen wären ofenheiße Mini-Croissants gewesen, mit tiefschwarzem Espresso. So wie Ingeborg Bachmann sie zum Frühstück hatte, die Luna gerade las, auf ihren Reisen mit Max Frisch durch Südfrankreich, wo Luna jetzt gern gewesen wäre, statt ihrem dauerredenden Bruder zuzuhören. Linus philosophierte gerade darüber, wie hoch das Weihnachtsgeschenkbudget von Omi und Opa dieses Jahr wohl ausfallen würde. Charlottes Eltern verfolgten an Geburtstagen und Weihnachten die Strategie, uns zu demütigen, indem sie den Kindern doppelt so viele und dreimal so teure Geschenke bescherten wie wir.
    »Was meinst du, Papa?«, fragte Linus, »vielleicht sind dieses Jahr zweihundertfünfzig drin! Letztes Mal hat das Hauptgeschenk von ihnen so um die zweihundert gekostet, und ihre Geschenke werden ja jedes Jahr teurer …«
    »Wieso schmierst du Linus eigentlich sein Schulbrot?«, unterbrach ihn Luna. »Ich meine, er ist neun .«
    »Als du neun warst«, antwortete ich, »habe ich dir auch noch das Brot geschmiert.«
    Luna strich sich die Haare hinter die Ohren. »Auf hundert. Als ich neun war, saßt du hier, Schnuller-Lasse auf dem rechten Arm, Trotzphasen-Linus auf dem linken Knie, und ich durfte mir die Brote selber schmieren.«
    »Dafür hattest du Papa fünf Jahre für dich allein«, sagte Lasse plötzlich mit seiner mausehaft leisen Stimme.
    Papa. An Mama dachten sie gar nicht. Punkt elf für die Paartherapie. Im nächsten Moment bekam Lasse einen neuen Hustenanfall, der sich aus den Tiefen der Lunge seinen Weg nach oben bahnte, mit einer Lautstärke, die seine Sprechstimme nie erreichen würde.
    »Äh, Papa, der ist krank!«, sagte Luna. »Den kannst du nicht in die Schule schicken.«
    »Quatsch, er muss einfach viel trinken.«
    Ich füllte ein Glas mit Leitungswasser und stellte es vor ihn hin. Er trank gehorsam.
    »Und?«, fragte ich. »Wie fühlst du dich jetzt, mein Spatzelein?«
    Ich legte ihm die Hand auf die Stirn. Ganz schön heiß. Oder war das noch die Bettwärme?
    »Ganz gut«, piepste Lasse. Er wollte auch nicht immer der Krankheits-Loser sein.
    Luna stand auf. »Ihr tickt doch nicht ganz sauber. Der hält höchstens bis zur großen Pause durch.«
    Bis zur großen Pause? Das ging nicht. Die große Pause begann um fünf nach halb zehn. Und um zehn kam Max. Aber meistens hatten die Kleinen ihre Symptome schon in der ersten Schulstunde vergessen. Charlotte war immer dafür, sie zur Schule zu schicken, wenn sie nicht gerade Cholera hatten. Bloß kein Krankheitsgewinn in Form von Sonderferien, sagte sie, wenn wir damit anfangen, werden sie andauernd krank. Außerdem hatte Max garantiert sein Smartphone abgeschaltet, ich hätte ihm gar nicht mehr absagen können, beim besten Willen nicht.
    Um Viertel vor acht stand ich am Balkon. Luna war auf ihrem Mountainbike weggerast, Joshua war längst vorgegangen, ich winkte Lasse und Linus nach. Lasse winkte noch lange zurück. Wenn sie schnell gingen, wären sie noch pünktlich um acht da. Aber Lasse mit seinem viel zu großen und viel zu schweren Wikingerranzen und seiner Müdigkeit und seinem Röchelhusten und seinen Tagträumen kam höchstens auf einen Stundenkilometer. Er würde zu spät kommen. Linus allein hätte es schaffen können. Er war der Sportler der

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