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Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
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knarrte. Ich hörte das. Ich hätte es auch am anderen Ende der Stadt gehört. Und ich wusste auch, wer dahinter stand. Und sich jetzt schämte, sie ganz aufzumachen.
    »Papa?« Sein Gesicht ließ sich im dunklen Flur nur erahnen.
    In wenigen lautlosen Schritten war ich an der Tür. Ich wusste sogar, was er jetzt sagen würde.
    »Ich kann nicht schlafen«, wisperte Lasse.
    Marx, Picasso und Chaplin war es genauso gegangen. Hochbegabte können nicht einschlafen.
    »Alpträume?«, flüsterte ich. Es klang trotzdem wie durch ein Mikro, weil Charlotte und Max plötzlich aufgehört hatten zu reden und uns anglotzten wie zwei puritanische Feldforscher einen unentdeckten Amazonas-Stamm beim Gruppensex. Mit ihren Wildschweinen.
    »Linus sagt, ich darf meine Häschenlampe nicht anmachen.«
    Eine handtellergroße Lampe, die ein munteres, braunes Häschen auf weißem Hintergrund zeigte, das Lasse vor der Dunkelheit und ihren umrisslosen Gestalten beschützte. Seit er ein eigenes Zimmer hatte, schlief er im Schein dieser Lampe. Es war seelische Grausamkeit von Linus, ihm das zu verbieten. Aber ich wusste, dass mein Eingreifen zu noch mehr Unheil führen würde.
    »Könnt ihr das nicht unter euch regeln?«
    Lasse guckte zu Boden. Eine Träne bahnte sich den Weg an seiner Nase entlang. Aber das konnten auch taktische Tränen sein. »Er sagt einfach, es ist sein Zimmer. Ich darf sie nicht anmachen.«
    »Bitte ihn noch mal freundlich, okay?«
    Er murmelte ein niedergedrücktes »Ja«, drehte sich um und schlurfte in die Dunkelheit davon. Er würde es nicht schaffen, freundlich zu fragen. Und Linus würde es nicht schaffen, nachzugeben. Weil er von seinem zwei Jahre jüngerer Bruder nicht herablassend behandelt werden wollte. In spätestens vier Minuten würde Lasse wieder hier stehen. Es lohnte sich kaum, sich wieder aufs Sofa zu setzen.
    »Bewirbst du dich eigentlich nur in Hamburg?«, fragte Max und nahm einen zu großen Schluck Rotwein.
    Charlotte schüttelte den Kopf. »Quatsch. Ich hab mich auch in Bielefeld und München beworben, übrigens auch in Washington.«
    »In den USA?«, hakte ich nach, während ich mich wieder dazusetzte wie ein ungebetener Gast. »Hab ich da was nicht mitbekommen?«
    »Ich würde mich auch in Papua-Neuguinea bewerben.« Sie sah mich übertrieben freundlich an. »Oder in Neubrandenburg. Ich muss ja nicht hingehen. Aber jede Zusage stärkt meine Verhandlungsposition, verstehst du?« Sie kniff ein Auge zu und guckte Max mit dem anderen an, als wollte sie sagen: Clever, he? »Außerdem muss diese Familie ja von irgendwas leben. Wir wollen ja nicht ewig am Tropf meiner Eltern hängen.«
    Was erzählte sie denn da? Ihre Eltern gaben uns keinen Cent. Sie machten den Kindern bloß unnütze Weihnachtsgeschenke und waren beleidigt, wenn Linus sie ein Jahr später auf dem Flohmarkt verhökerte. Ab und zu kauften sie uns ungefragt einen Tchibo-Flachbildfernseher, als ob wir Hartz-IV-Empfänger wären. Und seit drei Jahren wollten sie uns überreden, eine größere Wohnung zu mieten – und zwar von ihnen. Ich wusste auch warum. In ihren Mietwohnungsblocks fielen sie regelmäßig auf Mietnomaden herein, die von Anfang an nichts zahlten und trotzdem nur in jahrelangen Prozessen herausgeklagt werden konnten. Wir dagegen wären eine todsichere Kapitalanlage. Und ich wäre endgültig der trottelige Kleinkunstzausel, der es zu nichts gebracht hatte. Nein, auf diese ›Hilfe‹ verzichtete ich gerne. Da schlief ich lieber den Rest meines Lebens auf einem Schlafsofa ohne Lattenrost. Im Wohnzimmer.
    »Papaa?« Lasse stand wieder in der Tür. Ich hatte mich geirrt. Es waren nur zwei Minuten gewesen.
    Ich ging mit ihm in Linus’ Zimmer. Ich kochte. Für mein künstlerisches Überleben hätte ich jetzt Tipps von Max gebraucht. Stattdessen verwickelten mich die Jungs in einen Streit über die Zulässigkeit von Häschenlampen in Leihschlafzimmern. Wer über mehrere Jahre zwischen drei Kindern schlichten muss, kann mühelos Richter am Bundesverfassungsgericht werden.
    Linus saß kampfbereit und aufgerichtet in seinem Bett. Ich wusste genau, was er gleich sagen würde. Es machte einen rasend, immer schon genau zu wissen, was kam.
    »Was ist hier los?«, fragte ich drei Dezibel zu laut.
    »Er will diese Scheiß-Häschenlampe anhaben, aber ich habe ihm schon fünftausendmal gesagt, dass das nicht geht.«
    »Und warum nicht?«
    »Ich kann eben bei dem verdammten Licht nicht schlafen!«
    »Und ich kann ohne das Licht nicht

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