Superdaddy: Roman (German Edition)
Linus, »deine Rühreier schmecken irgendwie nicht. Du kriegst das mit der Konsistenz nicht hin. Entweder sie sind zu hart und unten verkohlt, oder sie sind so glibbrig, verstehst du …« Linus war Konsistenz-Esser. Bananen, Pilze und Weichkäse schieden von vornherein aus. Hätte der Urmensch solche Ansprüche gestellt, wäre er schon vor der ersten Eiszeit ausgestorben.
»Und du, Luna?«, fragte Charlotte.
Als Antwort zog Luna laut den Rotz in ihrer Nase hoch. Sie sah aus, als hätte sie nur drei Stunden geschlafen. Und den Rest der Zeit durchgeheult. Es konnte aber auch eine besonders schlimme Erkältung sein.
»Und du, Lasse?«
Lasse nagte gedankenverloren an einer Möhre. Er hatte den äußeren Teil oben abgegessen und die innere Röhre freigelegt, so dass die Möhre jetzt aussah wie eine Skulptur von Yoko Ono. Oder ein Hochhausentwurf von Daniel Libeskind. Es war praktisch unmöglich, von den Kindern bei Tisch Antworten auf Fragen zu bekommen.
»Das war so cool«, plauderte Linus stattdessen los, »ich bin heute ’ne Grüne geklettert! Trond sagt noch, ’ne Grüne, schaffst du nie …«
Max versuchte, eingequetscht zwischen Charlotte und Luna, sich mit unserem stumpfen Messer eine Scheibe Brot abzuschneiden. Unser Küchentisch war schon für fünf viel zu klein. Zu sechst unterschritten wir die gesetzlichen Mindestrichtlinien für Käfighennenhaltung. Wir hätten zwar auch am viel größeren Esstisch im Wohnzimmer essen können, aber dann hätten wir ja alles rübertragen müssen, und die Mühe machten wir uns nur zu Weihnachten. Oder wenn Charlottes Eltern zu Besuch kamen. Was aber praktisch auf dasselbe hinauslief. Wieso bauten Architekten immer so kleine Küchen und so große Wohnzimmer? Obwohl Familien vier Fünftel ihrer Zeit in der Küche verbrachten und das Wohnzimmer nur zum Fernsehen brauchten?
»… aber ich sag zu Trond: Du schaffst im Leben keine Grüne. Aber ich …«
»Was ist ’ne Grüne?«, fragte Max.
»Na ja, beim Bouldern«, Lasse biss von einer Spreewaldpfeffergurke ab und sprach mit vollem Mund weiter, »startest du mit ’ner Gelben. Na gut, du mit ’ner Weißen. Aber …«
»Ich dachte, du machst Judo?« Max beschmierte seine Brotscheibe mit der Tofu-Ingwer-Paste, die Lasse ihm empfohlen hatte.
»Er macht alle drei Monate was Neues«, erklärte Luna. »Fußball, Tennis, Karate, Ballett, Judo, er hat schon alles durch. Jetzt bouldert er.« Sie sprach das Wort aus, als ob sie eine Riesenvogelspinne küssen müsste.
»Was macht das Telefon da?« Charlottes Ton war unerwartet scharf. Luna hatte ihr Handy unter den Weintrauben versteckt.
»Mamaa«, stöhnte Luna.
»Bei Tisch wird nicht telefoniert!«
Charlotte kämpfte einen Heiligen Krieg gegen das Telefonieren am Küchentisch. Wahrscheinlich, weil ich einmal zu oft ans Handy gegangen war, wenn Ines anrief. Oder der Kolumnen-Redakteur. Oder ein Veranstalter. Was war mir auch übriggeblieben. Das waren alles meine Arbeitgeber. Und ich wusste so schon kaum, wovon ich die Miete bezahlen sollte.
»ES WIRD NICHT …«, setzte Charlotte wieder an.
In diesem Moment klingelte es.
»Luna, du gehst nicht ran!«
»Mama, nun lass sie doch!«, bat Lasse.
Luna hatte das Handy bereits in der Hand, schien aber noch auf etwas zu warten.
»Geh ran!«, drängte Lasse. »Was ist?«
»Ist doch klar«, sagte Linus. »Sie will nicht, dass der Typ merkt, dass sie seit Stunden auf seinen Anruf wartet.«
»Ja?«, meldete sie sich endlich.
»Ach so, du meinst, das ist Chris?«, fragte Lasse schadenfroh.
»Oh, hallo!«, begrüßte sie ihn eine Oktave höher und versuchte, sich aus der Tischecke heraus- und an Max vorbei zu drängeln.
»Das ist er«, rief Linus. »Chrissie! Jesus Christus!« Er spitzte seine Lippen zum Kussmund und sang: »Schöne Grüüüße!«
»Jetzt lasst sie in Ruhe«, sagte ich.
Luna flüchtete in den Flur.
»Also, in zwei Wochen sind ja Hamburger Bouldermeisterschaften«, fuhr Linus fort und bestrich sein Buttermilchbrot dick mit Lüneburger Leberwurst, die ihm merkwürdigerweise keine Konsistenzprobleme bereitete. »Und ohne Grüne brauchst du da gar nicht anzutreten. Und da hat Trond gesagt, wie er mir das Chalk Bag gibt …«
»Linus, du hältst jetzt einfach mal den Mund!«, fuhr ich ihn an.
»Äh, wieso? Das check ich jetzt nicht!«
»Es wird mir einfach zu viel! Max weiß weder, wer Trond ist, noch was ein Chalk Bag ist, und …«
»Kann ich gerne erklären«, sagte Linus. »Ein Chalk
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