Superdaddy: Roman (German Edition)
raus. Die will bis morgen um vier ein komplettes Konzept plus Titel. Ich hab mir da ’n paar Sachen überlegt.« Ich kramte die Zettel aus der Innentasche meiner Lederjacke, die ich immer anzog, wenn ich mit Max unterwegs war. Eine Reliquie aus der Zeit, als wir zusammen in Soziologie I saßen. »Hier, Das Blöken des Lammert , wie findest du das? Da geht’s dann so um Politikerphrasen, bei Merkel ist immer alles alternativlos … geht so in Richtung Sprachkritik, Bastian Sick.«
»Wer?«
»Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, ein Riesenbestseller. Mit drei Fortsetzungen. Das kennst du nicht?«
»Klingt rasend uninteressant.«
»Oder: Mit den Waffeln einer Frau . Da geht’s dann mehr um Männer und Frauen, Beziehungskämpfe. Damit hat Mario Barth das Olympiastadion gefüllt.«
»Wie heißt der?«
»Ma-ri-o Barth!«, sagte ich so deutlich wie ein Sprecherzieher. Wenn er den auch nicht kannte, würde ich den Rastamann rufen und bezahlen.
»Doch, mal gehört. Ziemlich unsympathisch, oder?«
Ich stöhnte. »Max, darum geht’s doch gar nicht! Die Frage ist doch: Gibt das Thema noch was her?«
»Mit den Waffeln einer Frau«, wiederholte er mechanisch.
»Ja. Oder: Es gibt kein richtiges Leben im Feilschen. Oder Glücksgebiete. Das wäre dann mehr Richtung Hirschhausen.«
Pling. Er hatte eine SMS bekommen.
»Sorry.« Er klappte seinen Blackberry auf. Die milde Trunkenheitsfröhlichkeit wich schlagartig aus seinem Gesicht.
»Alter«, murmelte er kaum hörbar und starrte auf das Display. »Sie will das volle Programm. Scheidung, Zugewinnausgleich … wird teuer.«
Ich sah die Bekümmerung in seinem Gesicht. Und schämte mich. Max war derjenige, der Hilfe brauchte, während meine Probleme zu hundert Prozent fiktiv waren. Weil sie auf der Idee beruhten, ich müsse unbedingt Komiker werden. Dabei war es nach sechzehn Jahren Viertel-Erfolg ja immerhin denkbar, dass ich einfach nicht das Zeug dazu hatte. So wenig wie zum Extremkletterer. Und das war vermutlich auch der Grund, warum er mich die ganze Zeit so mitleidig anblickte. Wieso wurde ich nicht einfach Hausmann und Vater? Und kümmerte mich um meinen Freund Max?
»Oh … Und was willst du jetzt tun?«
Er nahm seine ovale Brille ab, und seine riesigen, runden Rehaugen wurden noch größer. »Was wohl? Cuba Libre saufen. Und meinen Anwalt aus Manhattan beauftragen.«
Er stierte vor sich hin. Zwei ratlose Männer. Ich würde ihn jetzt in Ruhe lassen. Und selbst auf etwas Geniales kommen. Einen Versuch gab ich mir noch. Denn in Wahrheit wusste ich ganz genau, warum ich noch nicht aufgegeben hatte. Wann immer ich auf einer Bühne gestanden hatte – sei es im tristesten Nest vor zwanzig Zuschauern –, war es mir gelungen, diese Leute zu begeistern. Das war ja das Irritierende. Lauter euphorische Zuschauer, die das anschließend konsequent für sich behielten. Ich brachte sie zum Lachen und Quieken, ich trieb sie vor mir her, ich konnte das. Es fehlte nur irgendeine verdammte Zutat in dieser Suppe. Und man würde sie auf der ganzen Welt löffeln.
Max drehte langsam den Kopf zu mir. Das Trübe in seinen Augen war wieder der üblichen Kampfeslust gewichen. »Egal, ich geb dir jetzt meinen Tipp. Es gibt nämlich eine gute und eine schlechte Nachricht. Welche zuerst?«
Ich schluckte. Max war erbarmungslos, das wusste ich. Getreu seinem Motto: Kritik ist die höchste Form der Loyalität. »Die schlechte natürlich.«
Er rückte seine Brille zurecht. »Niemand interessiert sich dafür, dass du Erfolg haben willst.« Seine Stimme war plötzlich laut und durchdringend, als hielte er einen Vortrag auf der Vorstandssitzung von ThyssenKrupp. »Das wollen alle in diesem Business. Das wollen alle in jedem Business. Und niemand interessiert sich für Plagiate. Also vergiss die Waffeln einer Frau. Und das Blöken des Lammert.«
Ich konnte meine Zettel wegschmeißen. Aber das hatte ich auch nicht anders erwartet.
»Die gute Nachricht: Sie interessieren sich für etwas ganz anderes.«
»Und wofür?«
Er riss die Augen auf, klappte den Mund auf, strahlte und zeigte mit seinem dicken, kurzen Zeigefinger in meine Richtung.
»Äh, wie meinst du das?«
Er stöhnte und sah mich auffordernd an.
Okay, ich musste selbst drauf kommen. Ich. Ich. Wieso ich? In Gedanken ratterte ich alles durch, was Max erlebt hatte, seit er heute bei uns im fünften Stock geklingelt hatte. Linus’ Judoangriff, Lunas Mengelevorwurf, Lasses Vegetarierdrama. Die Tränen um Chris und die Tragödie
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