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Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
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unterbrach ich sie.
    »Was denn, Superdaddy?«, quietschte Linus.
    »Jetzt hört doch mal!«
    Ich griff nach ihnen, was in eine Mischung aus Kitzelschlacht, Judokampf und Catchen ausartete. Charlotte flüchtete aus der Küche, sie hasste das. Nach zehn Minuten lagen wir erschöpft am Boden.
    »Dafür«, japste ich, außer Atem, »muss ich jetzt öfters weg sein.«
    Stille. Eins Zwei Drei. Lief gleich einer weinend in sein Zimmer? Ich tippte auf Linus. Er brauchte mich am meisten. Er brauchte keinen Pool. Er brauchte seinen Papa.
    »Kein Problem«, jubelte Linus. »Die Frage ist doch bloß: Wann zieh’n wir um?«
    »Jaaa!«, rief Lasse. »Wann?«
    Es sah aus wie ein Happy End. Es klang so. Aber es fühlte sich nicht so an. Gar nicht. Denn es waren gar nicht die Kinder, die den Preis zahlen würden. Es war der Typ, der es heute geschafft hatte, bei jedem Ausparken das Nachbarauto zu rammen. Ich verzog mich aufs Klo und sandte eine Mail an [email protected]:
    Heute kein Drink. Fühle mich wie ein andalusischer Hund. P.

8
    Ich stand im Eingang des schummrigen Saals im ersten Stock, in meiner Linken ein eiskalter Mojito, und blickte auf die verschwitzte, alkoholisierte Menge, die auf mich wartete. Dunkelroter Samt an den Wänden, dunkelrote Vorhänge an den hohen Fenstern, schwarze Tür- und Fensterrahmen: So stellte ich mir einen Edelpuff vor. Und das Theater, in dem meine Show heute fürs Fernsehen aufgezeichnet worden war, lag ja auch mitten im größten Rotlichtviertel unseres Landes, am Hamburger Broadway. Der Sender hatte eingeladen, und die Aftershow-Gäste nahmen sich in lässiger Selbstverständlichkeit Champagner und Campari-O-Saft-Gläser von den Tabletts, die junge, in strenges Schwarzweiß gekleidete Kellnerinnen durch den Raum balancierten. Die Gäste betranken sich, weil sie feiern wollten, und zwar mich. Nur leider gab es nichts zu feiern. Jedenfalls nicht heute Abend.
    Das Publikum hatte getobt. Gestern in Braunschweig. Und vorgestern in Itzehoe. Warum konnten wir diese Auftritte nicht einfach aufzeichnen? Nein, die Fernsehleute wussten alles besser. Und alles sollte sich nach ihnen richten. Schon bei den Proben hatte der glatzköpfige Regisseur ständig an meiner ›Kameraarbeit‹ herumgemäkelt: »Du gehst hierhin und guckst in Kamera zwei, drehst dich um, Kamera vier, guckst nach oben, Kamera eins – und dann sofort in die Fünf!« Das war das Grundübel: das dauernde In-die-Kamera-Gucken, das Dieter Nuhr eingeführt hatte. Selbst wenn zehn nackte Friseusen ihn umlagerten, Nuhr würde direkt in die Kamera linsen. Und grinsen. So dass selbst die selbstmordgefährdete Witwe im niederbayerischen Wald das Gefühl haben würde, er spräche mit ihr persönlich. Es gab nur ein Problem: das Live-Publikum. Das fühlte sich, als sei es nicht mehr als ein Teil des Bühnenbilds. Aber genau das hatte der Regisseur nicht begreifen wollen. »Da«, hatte er auf seine Kameras gezeigt, »da sitzen die Millionen, die dich sehen wollen. Immer aufs rote Licht achten!« Wenn das so einfach gewesen wäre. Fünf Kameras, zwei Handkameras und eine Kamera auf einem Schwenkkran blinkten abwechselnd rot auf. Es war wie dieses Spiel auf dem Jahrmarkt, bei dem Holzstämme aus fünf verschiedenen Löchern hervorkamen. Wenn man sie sofort mit dem Hammer traf, riefen sie »Au!«, und man bekam einen Punkt. Schon das hatte ich nie gekonnt. Hier aber sollte ich gleichzeitig den roten Punkt verfolgen und einen Text spielen oder besser gesagt »senden«, wie der Glatzkopf mit der mintgrünen Titanbrille predigte. Als ob ich das nicht wüsste. »In die Kamera senden!«, rief er alle drei Minuten.
    Und dann das Publikum. Vom Sender ausgesucht. Ich hatte ja nichts dagegen, das Publikum vorzusortieren. Wenn man nicht eingriff, kamen nämlich nur die typischen Kreuzfahrtgäste, Paare über siebzig, seit über vierzig Jahren zusammen, weil sie auf dem freien Partnermarkt keine Chance hatten und nie gehabt hatten. Also die Kerngruppe der öffentlich-rechtlichen Zuschauer. Der öffentlich-rechtliche Sender, der mich produzierte, wollte aber ganz andere Zuschauer: Jüngere. Coolere. Schönere. Und hatte deshalb gutaussehende Eppendorfer Girls in die Vorstellung gesetzt, ohne allerdings deren geistigen Horizont zu bedenken. Der reichte nämlich von Brazilian Wax bis Intimpiercing. Und wenn es etwas gab, für das sie sich ganz bestimmt nicht interessierten, dann waren es die Erziehungsprobleme moderner Väter.
    Mit anderen Worten: Die Show war

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