Superdaddy: Roman (German Edition)
mir weg. Das Ledersofa quietschte. »Das ist der zweite Punkt.« Sie räusperte sich. » Superdaddy ist deine Show. Aber es ist auch ein sehr gutes Solo-Theaterstück. So wie Caveman . Das wird ja auch von mehreren Schauspielern gespielt.«
Ich kannte Caveman . Ich wusste, wo es überall lief. In der Brägendorfer Kulturscheune und im Gemeindesaal der reformierten Apokalyptiker in Schweinfurt. Zwölf Schauspieler lebten in Deutschland seit Jahren von diesem Ein-Mann-Stück. Aber seit wann war Ines nicht mehr meine Agentin? Für wen arbeitete sie denn inzwischen?
»Nur zum Verständnis«, sagte ich, »das war Punkt Nummer zwei. Wie viele Punkte kommen noch? Und kann ich vielleicht mal die Tagesordnung bekommen?«
»Philipp, du bist ein begnadetes Bühnenschwein.« Gottes Stimme klang erstaunlich leise und brüchig. »Aber auch ein brillanter Schreiber. Und das bleibt dir doch. Wir brauchen dich! Aber wir möchten auch, dass du dich um deine Familie kümmern kannst.«
»Meine Familie«, ich wurde laut und richtete mich auf, »ist trotz allem noch meine Privatsache.«
»Nicht, wenn Sie Sendungen deswegen abbrechen«, verfügte LaGuardia.
»Was ich noch nie getan habe.«
»Philipp, Sie sind nicht mehr zwölf.«
»Genau. Ich habe einen Vertrag.«
Sie seufzte und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Wahrscheinlich hatte sie Jetlag. Den hatten diese Medienoberschichtler chronisch.
»Okay.« Ihre Stimme klang jetzt eine Quinte tiefer. »Zweihundertfünfzigtausend.«
Sie meinte es ernst. Alle hier meinten es ernst. Alle hatten schon zu Beginn des Gesprächs gewusst, wie es enden würde. Außer mir.
»Ich habe das mit unserem obersten Chef nicht abgesprochen, und das Angebot gilt auch nur, wenn Sie sofort zustimmen.«
Ines sah mich an. Wollte sie davon 33,33 %? Ich kniff die Lippen zusammen. Ich brauchte jetzt etwas. Ein gutes Argument. Oder ein Maschinengewehr. Oder ging es vielleicht mit Psychologie?
»Es war dumm von mir«, sagte ich mit Büßerstimme. »Und es kommt nicht wieder vor. Ich habe mit Charlotte gesprochen. Sie wird in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen und mir den Rücken freihalten.«
Die drei sahen mich an wie einen Geisteskranken. Konnte ich so schlecht lügen? Oder wusste die ganze Welt, dass Charlotte sich nie zu so etwas verpflichten würde? Nein, das wusste nur ich. Deshalb musste ich jetzt einfach weiterpredigen.
»Ich gebe mein Wort darauf. Mein Ehrenwort.«
Stille. Ich betete, dass ich nicht rot anlaufen würde. Nein, ich wurde nicht rot. Ich schaffte es. Ich konnte Politiker werden. Oder Pressesprecher.
»Ich glaube, ich hätte das gleich am Anfang erzählen sollen.«
LaGuardia trank ihr Glas aus und behielt es in der Hand. Hatten die Italiener nicht den Familiensinn erfunden? Nein, sie würde das nicht durchhalten. Sie würde einschwenken. Sie hatte einfach nur mein Versprechen gebraucht.
»Zweihundertfünfzigtausend«, sagte sie. »Das ist eine Viertelmillion. Vielleicht besprechen Sie sich kurz draußen mit Frau Meyer?«
Wir wurden in den Konferenzraum am Ende des Ganges geschickt. Die Tische bildeten ein U, ungefähr dreißig Stühle, wie in meiner alten Grundschulklasse in Quickborn, aber wir standen lieber, in der Nähe der Tür. Ines und ich. Das ›und‹ war fast schon Vergangenheit. Seit 1976 werden Ehen in Deutschland nicht mehr nach dem Schuld-, sondern nach dem Zerrüttungsprinzip geschieden. Seitdem muss vor Gericht nicht mehr entschieden werden, wer schuld war. Ein Reifen nutzt sich eben ab. Materialverschleiß. So sah Ines auch aus in diesem Moment. Verschlissen. Elend.
»Warum hast du mir nichts gesagt?«, fragte ich nach einer gefühlten halben Stunde in die Stille, leise und müde.
»Weil ich nicht mehr kann, Philipp.« Sie sah zu Boden. »Ja, ich hätte dich einweihen sollen. Aber ich kann nicht mehr. Es geht nicht. Es geht einfach nicht mit dir.«
»Aber was denn bloß, Ines?«
Sie hob den Kopf und blickte mich an, verwirrt. »Das weißt du nicht?«
Ich sah ihr in die Augen. Und hatte eine Eingebung: War sie etwa in mich verliebt? Unglücklich verliebt? All die Jahre schon – und ich hatte es nicht bemerkt? Oh, wie sehr müsste ich mich schämen, wenn es so war. Wie konnte ich das je wiedergutmachen, ich Esel?
»Ines, ich bin nicht sicher …«
Ich ging tastend einen Schritt auf sie zu. Vielleicht sollte ich sie umarmen. Sie wich zurück.
»Du bist nicht sicher? Aber ich! Du bist das Letzte! Das Allerletzte!«, fuhr sie auf. »Du zerstörst
Weitere Kostenlose Bücher