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Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
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Lokalpatriotismus beziehen?«
    Ich hatte es geahnt: die Puddingstadt. Gleich war sie bei den Männlichkeitskonzepten in der Moderne, und dann hatte ich keine Chance mehr. Der Druck im Bauch wurde stärker. Mir schlug immer alles auf den Magen. Wahrscheinlich war ich deswegen noch so schlank, während meine früheren Mitschüler auf den Klassentreffen aussahen, als ob sie sich auf den Sigmar-Gabriel-Ähnlichkeitswettbewerb vorbereiteten.
    »Charlotte, ich …«
    »Was denn, Honey?«
    Ich setzte mich auf. »Ich muss dir etwas sagen.«
    Endlich. Ich hatte es getan. Ich hatte sie unterbrochen. Hatte es etwas mit meinem Dasein als Fernsehstar zu tun? Ich kannte allerdings inzwischen jede Menge Fernsehstars, die es nicht schafften, ihre Frau zu unterbrechen.
    »Go ahead.« Sie nahm ihren Sex on the Beach und schlürfte laut daran. »Aber erinnere mich bitte daran, dass ich gleich noch über DEN Bielefelder Nationalhelden reden muss.«
    Ja, Dr. August von Backpulver. Manchmal schien sie zu vergessen, dass ich Komiker war. Ich ließ das alles hinter mir und richtete mich auf. Betrachtete das grüne Minzblatt auf meinem Mojito. Und faltete die Hände.
    »Ah, du willst zum Katholizismus übertreten?«
    Ich lächelte kurz. Und umfasste dann das Cocktailglas mit beiden Händen. An irgendetwas musste ich mich ja festhalten. »Charlotte, ich weiß, wie wichtig dir dein Sonderforschungsbereich ist. Und du weißt, wie wichtig mir die Kleinen sind.«
    »Ja?«
    Ihr Ton klang leicht gereizt, jetzt schon. Ich hatte diese vorbereitete Rede so oft in meinem Kopf redigiert, ich hätte »die Kleinen« streichen müssen. Der Ausdruck regte sie auf. Egal. Weiter.
    »Deine Professur und mein Tourleben …«
    Sie gähnte, ohne die Hand vor den Mund zu nehmen. Vorreden nervten sie so sehr wie Vorspiele. Ihr Lieblingsfilm war Zur Sache, Schätzchen . »O Philipp, ich weiß! Wir müssen ein Kindermädchen suchen oder eine Haushälterin. Am besten eine blutjunge ungarische Nanny, die dich in Lasses Zimmer vernascht. Aber musst du uns wirklich mit diesem Elternkram den letzten Abend versauen?«
    »Es geht nicht um das Thema Haushälterin.«
    »Danke.« Sie seufzte. »Dafür darfst du dir nachher die Stellung aussuchen.«
    Ja, wir schliefen hier miteinander, wie in jedem Zweier-Urlaub. Aber es war merkwürdig, mit ihr zu schlafen, während sie so wenig von mir wusste. Während sie von dem, was mich bewegte, sogar überhaupt gar nichts wusste.
    »Ich höre?«, fragte sie. Und wartete ostentativ.
    Ich räusperte mich. Aber auch fünfzigmal Räuspern würde den Kloß in meinem Hals nicht beseitigen. »Ich gebe meine Sendung auf.«
    Stille. Sie nahm mich ins Visier. Und schlürfte an der Mischung aus Rum, Wodka, Blue Curacao, Sahne und Kokosmilch. Plötzlich verschluckte sie sich, hustete, hustete noch mehr, Tränen liefen ihr übers Gesicht.
    »Habe ich das Wort Sendung verstanden?«, fragte sie schließlich mit vor Husten heiserer Stimme.
    »Ich bekomme zweihundertfünfzigtausend. Und übergebe die Moderation in der nächsten Sendung an jemand anders.«
    »Also sie haben dich rausgeschmissen.«
    Wir saßen immer noch im 52. Stock, der Abgrund begann immer noch direkt neben unserem Tisch. Aber jetzt war ich kurz davor zu fallen. Mir wurde schwindlig. »Nein. Sie haben mir angeboten, für diese Entschädigung … also sie haben mir die Entschädigung angeboten, damit ich mich um die Kleinen kümmern kann. So wie sie es verdienen.«
    Charlotte prokelte ein Brillenfeuchtputztuch aus einer Miniplastikverpackung, nahm ihre Brille ab und putzte sie. »Philipp, erstens: Sie haben dich rausgeschmissen. Zweitens: Sie speisen dich mit einer lächerlichen Summe ab. Drittens: Du bist erbärmlich.« Sie guckte mich nicht mal an.
    Ich sah ein Bild von Brueghel vor mir: Eine holländische Brigg schießt aus vierzig Kanonen auf einen englischen Schoner und versenkt ihn. Charlotte war die Brigg, ich war der Schoner. Mir wurde übel. Das hatte ich von meiner Mutter. Nach jedem Streit mit meinem Vater war sie aufs Klo gerannt, um sich zu erbrechen. Der Geruch hatte immer noch tagelang in der Luft gehangen. Am Geruch des Klos hatten wir Kinder erkannt, ob sie sich gerade verstanden oder nicht.
    »Charlotte, vielleicht lässt du mich erst mal …«
    Sie setzte sich die Brille wieder auf und beugte sich vor. »Ich lasse gar nicht. DAS war dein Leben! Etwas, worauf du stolz sein konntest! Und was du durch eine einzige, sinnlose Heldentat vergeigt hast. Das ist es doch,

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